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本帖最后由 happyxiaomai 于 2011-1-19 06:42 编辑
Geliebter Feind Nummer einsDie Chinesen bewundern die USA – aber sie wollen Amerika auch hinter sich lassen.
Als die ersten jener Kassetten in den achtziger Jahren nach China drangen, waren sie nicht weniger als eine Sensation: diese Stimme, unverkennbar, darunter ein Klangteppich aus Rauschen! Die Kassetten wurden anfangs aus Hongkong und Taiwan ins Land geschmuggelt und unzählige Male kopiert. China entbrannte für Michael Jackson, es war das erste Mal, dass das Land synchron mit dem Rest der Welt Popmusik hörte, gemeinsam mit ihr übte es den Moonwalk.Anzeige
Es waren erst ein paar Jahre seit der Kulturrevolution vergangen. Maos Frau Jiang Qing hatte das Volk damals auf eine musikalische Diät von acht Revolutionsopern gesetzt. Und jetzt also Michael Jackson, der Soundtrack einer neuen Generation, die alles hinter sich lassen wollte. Xia hai, so nannte man es damals, wenn einer sich aufmachte, Geschäfte zu betreiben, und wie die Lemminge stürzten sie sich ins Geschäftsleben. Reformen verwandelten das Land, das sich lustvoll einer Mode nach der anderen hingab, als wollten sich die Menschen mit großen Bissen einverleiben, was sie so lange entbehrt hatten: die weite Welt.
Und kein Land war den Chinesen so sehr Welt, so sehr Moderne wie Amerika. Als in Peking das erste Kentucky Fried Chicken eröffnete, standen sie endlos Schlange, um chicken wings zu ergattern. Und passte der Amerikanische Traum nicht perfekt zu den neuen Zeiten? Leben ihn die Chinesen bis heute nicht ganz besonders konsequent? Millionen von Wanderarbeitern machen sich derzeit auf ins Ungewisse, von der Werkbank in eine hoffentlich bessere Zukunft. Ein Treck, so gewaltig wie der Treck nach Westen, nur dass er seltener besungen wird, schließlich handelt es sich hier um die Armen, die Malocher.
China modernisierte sich nach dem Vorbild der USA, mit einer Ausnahme: der Politik. »Das Fenster öffnen, ohne die Fliegen hereinzulassen«, forderte der Reformer der siebziger und achtziger Jahre, Deng Xiaoping. Und initiierte Kampagnen gegen »geistige Verschmutzung« und »bürgerliche Liberalisierung«. Bei allem Reformwillen wollte die Kommunistische Partei ihre Herrschaft nicht verlieren. Sie blieb misstrauisch, witterte Verschwörungen, von Amerika finanzierte Revolutionen wie in der Ukraine und Georgien. Als Studenten 1989 auf dem Tiananmen-Platz demonstrierten, ließen sie eine selbst gebastelte Freiheitsstatue aufstellen. Die Proteste wurden niedergeschlagen, die Hoffnung auf Freiheit wich Pragmatismus. Die Partei verschreibt dem Volk seither Patriotismus in hohen Dosen – mit Erfolg, wenn man darunter ein national erregtes Volk verstehen mag. Und doch: Wie stark die Anziehung Amerikas noch ist, zeigt sich daran, dass ihr zuweilen seine größten Kritiker erliegen. Was etwa tat ein Vollblutpatriot des nationalistischen Autorenteams, welches die Bestseller China can say no und China is not happy verfasste? Er beantragte eine Green Card.
Das Volk mag sich mit der Herrschaft der Partei abgefunden haben, doch gibt es fast keinen, der sich nicht mehr Freiheit oder ein besseres Justizsystem ersehnen würde. Tief beeindruckt hat viele Chinesen das Amtsenthebungsverfahren gegen Bill Clinton. Da stand ein Präsident vor Gericht und berichtete in allen Details von seiner kurzen, aber intimen Beziehung zu einer Praktikantin. Ein maßloser Gesichtsverlust, und doch: eine Justiz, so unabhängig, dass sie sich über den mächtigsten Mann im Staat erhob!
Das Verhältnis der Chinesen zu den USA ist geprägt von Anziehung und Aversion, von Faszination und tiefem Misstrauen. Einst waren die Länder Feinde, standen auf gegnerischen Seiten des Eisernen Vorhangs. Die USA waren in den Augen der Chinesen die Hegemone, die Imperialisten. Die scheinheilige Supermacht. Zweimal führten sie Krieg gegeneinander, in Korea und in Vietnam. Die Amerikaner unterstützten Maos Erzfeind, den Nationalisten Chiang Kai-shek, der nach dem chinesischen Bürgerkrieg nach Taiwan geflohen war.
Erst ein gemeinsamer Feind vermochte die USA und China zu einen: die Sowjetunion. Noch während die Regierungen im Vietnamkrieg auf verschiedenen Seiten standen, freundeten sich 1971 amerikanische und chinesische Tischtennisspieler bei der Weltmeisterschaft in Japan an. Die sogenannte Pingpong-Diplomatie war geboren. In China sagte man: »Der kleine Ball zog den großen mit sich.« Mao lernte heimlich Englisch, ein Jahr später landete Präsident Nixon in Peking. Nur einer störte in dieser freundschaftlichen Runde, und das war Taiwan. Auf Wunsch Maos drängte man Taiwan aus den Vereinten Nationen und ließ China an seiner Stelle Platz nehmen. Und doch versprachen die USA den Taiwanesen, ihnen im Falle eines gewaltsamen Übergriffs Chinas beizustehen – wobei sie stets offenließen, ob sie die Insel militärisch verteidigen würden. Seither beäugen sich China und die USA misstrauisch an der Meeresenge Taiwanstraße, jeder hat den Kriegsfall in unzähligen Szenarien durchgespielt.
China lief nicht Gefahr, sich zu amerikanisieren. Als es sich öffnete, hatten andere asiatische Länder die Moderne schon für ihre Bedürfnisse aufbereitet. Von Amerika wollte die chinesische Regierung lernen, wiederzugewinnen, was sie verloren hatte: ihre Macht. Jahrtausendelang hatte sich China in der Gewissheit gewiegt, das mächtigste Land auf Erden zu sein. Bis es im 19. Jahrhundert die beiden Opiumkriege gegen Großbritannien verlor und in Selbstzweifeln versank. Das Land, das einst den Kompass und das Schießpulver erfunden hatte, musste selbst seine Streichhölzer importieren, man nannte sie yanghuo, ausländisches Feuer.
Und während China taumelte, schwangen sich die USA erst zur pazifischen und dann zur Weltmacht auf. China wollte den Lauf der Geschichte umdrehen, die Niederlage ungeschehen machen. So begann die alte Macht von der ganz jungen zu lernen: Wie behauptet man sich in einer modernen Welt? Sie lernte schnell. Amerika setzt den Standard, an dem China sich misst. Wirtschaftsleistung, Bruttosozialprodukt, Goldmedaillenspiegel und, obgleich vorsichtig und unausgesprochen: das Militär.
Das verunsichert die USA, die doch ohnehin unruhig geworden sind, gepeinigt vom Gefühl, in Zeiten von Finanzkrise und innerer Spaltung den Zenit ihrer Macht überschritten zu haben. Und nun tritt ein Land an, das neuerdings zuweilen recht unverblümt seine Ambitionen kundtut. »Ihr regiert die Welt nicht mehr«, beschied der chinesische Unterhändler den amerikanischen Kollegen beim G-20-Gipfel in Seoul, »gewöhnt euch dran.« Was die Amerikaner besonders umtreibt, ist die Frage, welche Richtung China in 20, 30 Jahren einschlagen wird. Wird es ein gesättigtes Land sein, eines, das sich mehr oder weniger in die von den USA geschaffene Nachkriegsordnung einfügt? Oder wird es zu militärischen Spannungen kommen? »Welche Rolle China wählen wird, ist die große Frage unserer Zeit«, sagt Jim Steinberg, stellvertretender US-Staatssekretär.
Das Verhältnis beider Länder ist sehr vielschichtig geworden, vor allem, weil ihre Außenpolitik oszilliert – und oft von innenpolitischen Fragen überlagert wird. Die Amerikaner wollen die Chinesen einbinden und sich gleichzeitig gegen sie absichern – zuweilen aber kommt das eine Ziel dem anderen in die Quere. In China wiederum hat das Außenministerium an Macht verloren, was einer Vielzahl von Ministerien und Institutionen erlaubt, ihre eigenen außenpolitischen Interessen zu verfolgen. Zudem steht in China im nächsten Jahr ein großer Machtwechsel an, wenn die oberste Führung ausgewechselt wird. Das Kaderkarussell dreht sich, das Land schaut nach innen.
Beide Länder wissen, dass sie zu viel verlieren könnten, wenn sie sich jemals dazu entscheiden sollten, in einen militärischen Konflikt zu treten. Nicht nur militärisch, sondern auch finanziell. Die USA schulden China einen Großteil der 2,7 Billionen Dollar an Währungsreserven, auf denen Peking sitzt. Wer will schon seinen größten Gläubiger vergrätzen? Und wer erst seinen größten Schuldner? |
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