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Hungrig in China
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Eines Tages könnten in China die Lebensmittel knapp werden. Die Bevölkerung wächst schnell, und ihre Ernährungsgewohnheiten haben sich stark verändert.
Chinas Regierung muss etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung ernähren, verfügt aber nur über sieben Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Gleichzeitig ist Chinas Ackerfläche in den vergangenen Jahren immer weiter geschrumpft: Die Städte wachsen zu schnell, die Wüsten breiten sich aus, und die Umweltverschmutzung hat ganze Landesteile vergiftet.
China muss inzwischen einen Großteil seiner Lebensmittel aus dem Ausland importieren - sehr zum Unbehagen der Pekinger Wirtschaftsplaner. Immer mehr private und staatliche Agrarbetriebe suchen deshalb nach Möglichkeiten, im Ausland zu expandieren. Im vergangenen Jahr hat der Plan an Dringlichkeit gewonnen, denn die Versorgungsprobleme haben sich weiter verschärft. In der ersten Jahreshälfte stiegen die Lebensmittelpreise so schnell, dass die Regierung Preiskontrollen für Getreideprodukte, Eier, Schweine- und Rindfleisch einführte, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
Seitdem ist die Sicherung der langfristigen Lebensmittelversorgung für die Pekinger Regierung fast so wichtig geworden wie der Zugang zu Erzminen und Ölfeldern. Mit großem Druck bemüht sich Peking, die Produktivität der rückständigen Landwirtschaft zu verbessern. Denn die meisten Felder werden heute noch wie vor 2000 Jahren mit Ochsenkarren beackert, neu ist nur der Einsatz von Pestiziden. Doch etliche Experten gehen davon aus, dass Produktivitätssteigerungen alleine nicht ausreichen.
Die Xintian International Economic and Technical Cooperation Group gründete vor zwölf Jahren eine Großfarm auf Kuba, später auch in Mexiko. Inzwischen bereitet der Konzern auch die Ausdehnung nach Kasachstan vor. Die Provinzregierung von Hubei hat nach Berichten chinesischer Medien fast zehn Millionen Dollar in Großfarmen in Mosambik investiert. Das Ressourcenbüro der Provinz Shaanxi hat sich Anbauflächen von etwa 5000 Hektar in Kamerun gesichert.
Auch immer mehr private Unternehmer investieren im Ausland. Einer der ersten war der ehemalige Bauer Zhang Fenghua. Der 34-Jährige stammt ursprünglich aus dem zentralchinesischen Hubei. Vor neun Jahren hörte Zhang Geschichten über die Lebensbedingungen chinesischer Gastarbeiter im Sudan. Dort gebe es fast jeden Tag nur Kartoffeln und Zwiebeln zu essen. Doch Zhang wusste: Der Nil fließt durch den Sudan, das Land ist fruchtbar. Er betrieb damals ein kleines Geschäft für Baumaterialien in der Jangtse-Metropole Wuhan. Er suchte nach neuen Ideen, und was er hörte, inspirierte ihn. Im März 2001 kam Zhang in Khartum an und mietete für 300 Dollar ein Stück Land vom sudanesischen Landwirtschaftsministerium. Zhangs Firma ist inzwischen zum größten ausländisch-investierten Agrarbetrieb des Landes geworden.
Im Ausland wird Chinas Expansion mit Skepsis beobachtet. Und die Regierung in Peking versucht, die Befürchtungen zu zerstreuen. "Es gibt keinen Masterplan für chinesische Bauern oder Firmen, Land im Ausland zu kaufen oder zu pachten", sagte Zhang Xiaoqiang, Vizechef der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, bei einer Pressekonferenz im November. Doch vor allem im Landwirtschaftsministerium werden große Hoffnungen auf die Auslandsexpansion gesetzt. Und gleich mehrere Regierungsbehörden arbeiten derzeit an Studien zu dem Thema.
Auch andere Länder gehen den chinesischen Weg. Im November verkündete der südkoreanische Konzern Daewoo Logistics, für 99 Jahre 1,3 Millionen Hektar Land in Madagaskar zu pachten - etwa die Hälfte der gesamten Inselfläche.
Bild: ddp |
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