China: Todesstrafe gegen Briten
Der mimosenhafte Gigant
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Ein Kommentar von Stefan KorneliusChina lässt einen Briten hinrichten, gerät in die Kritik und reagiert wie immer: aggressiv. So verspielt der Gigant seine politische Größe - und erlebt, was es heißt, ein ungeliebter Hegemon zu sein.
Absurde Floskeln, mantrahafte Reflexe: China schrumpft seine politische Größe. Foto: Getty Images
Die Hinrichtung eines britischen Staatsbürgers in China bewirkt weit mehr Verstörung, als die Anwendung der Todesstrafe, auch an Europäern etwa in den USA, üblicherweise auslöst.
Im chinesischen Rechtssystem wird nicht nur exzessiv getötet, was wegen der britischen Staatsbürgerschaft Akmail Shaikhs nun auch hierzulande wahrgenommen wird. Das System ist vor allem undurchschaubar und wirkt schon deshalb willkürlich. Im Falle Shaikhs ist die Intransparenz besonders empörend, weil die mutmaßliche Geisteserkrankung des Täters selbst in China als mildernder Umstand hätte gelten müssen. Wurde Shaikh also auf seinen Geisteszustand hin untersucht? Wurden Dutzende Petitionen überhaupt wahrgenommen?
Jenseits der rechtlichen Hartleibigkeit zeigte sich das chinesische System vor allem aber politisch unnachgiebig, was nicht ohne Folgen bleiben wird. Es ist ungewöhnlich, wenn sich der Premierminister, der Außenminister und selbst der Oppositionschef bittend an eine fremde Regierung wenden und derart brüsk abgebürstet werden.
Gordon Brown wird sein Gnadengesuch nicht leichtfertig und ohne Würdigung der rechtlichen Vergehen des Mannes gestellt haben. Die chinesische Justiz, der Premier in Peking, die politische Führung aber gingen auf die Serien-Appelle gar nicht erst ein. Das deutet auf ein grundsätzlicheres Problem hin, das sich im Umgang mit China immer häufiger stellt.
China ist ein mimosenhafter Gigant. Immer wenn das Land wegen seiner Außenpolitik (Beziehungen zu Unrechtsregimen etwa) oder seiner inneren Verhältnisse (die Behandlung der Minderheiten in Tibet oder Xinjiang, die Menschenrechtspolitik) in die Kritik gerät, reagiert es aggressiv.
Selbstverständliche politische Auseinandersetzungen - wie etwa über die Währungspolitik oder die Obstruktion bei den Klimaverhandlungen - werden feindselig und brüsk erwidert. China zeigt eine politische Unreife im internationalen Umgang, die seiner Größe und Bedeutung in der Welt nicht mehr gerecht wird.
Der ungeliebte Hegemon
Mantrahaft wird vor der Einmischung in innere Angelegenheiten gewarnt - eine absurde Floskel für eine verflochtene Welt, in der die inneren Zustände sehr wohl eine Rolle spielen für Investitionsentscheidungen oder politische Kooperationen.
China kennt keine Ausgewogenheit im internationalen Umgang. Der Führung fehlt oft diplomatische Geschmeidigkeit. Ehre und Stolz sind plötzlich bedeutend, obwohl das untaugliche Messgrößen für politischen Erfolg sind. China verbittet sich Kritik, wenn ein Oppositioneller zu einer maßlosen Freiheitsstrafe verurteilt wird.
Eine Sprecherin faselt von Einmischung, wenn die Umstände einer Hinrichtung aufgeklärt werden müssten. Die politische Führung bestraft mit Boykott, wer etwa den Dalai Lama empfängt. Allein: Die Empörung wird so nicht schwinden, im Gegenteil. China erlebt in raschem Tempo, was es heißt, ein ungeliebter Hegemon zu sein.
(SZ vom 30.12.2009/woja)
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