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(原文)
DIE ZEIT
China
Einig gegen den Westen
Die Proteste, die den Lauf des olympischen Feuers begleiten, lösen in
China Verbitterung aus. Auch bei Regimekritikern
Von Georg Blume
Peking − Er ist der Typ, dem jetzt keiner mehr zuhört, von dem man denkt, dass er nur noch Propaganda
abliefert. Qu Yingpu ist offizieller Sprecher des Fackellaufs der Olympischen Spiele in Peking.
Normalerweise ist er stellvertretender Chefredakteur der englischsprachigen Pekinger Tageszeitung China
Daily und gehört zu denen, die in China unter der Knute der Parteizensur für einen unabhängigeren
Journalismus kämpfen. Doch jetzt tourt Qu mit der Fackel um die Welt. Er sah zu, wie der »olympische Geist
von Demonstranten entführt wurde«, sorgte sich über die »öffentliche Meinung infolge einer
Medienberichterstattung, die nur die eine Seite der Geschichte kennt«. Und er fragte: »Welche Botschaft
versuchen die Demonstranten und Medien an die Chinesen zu senden? Wird das die Samen des Hasses säen?«
Gute Fragen. Schneller als die meisten erfasste Qu die Gefahr eines tiefgehenden Zerwürfnisses zwischen
China und dem Westen. Ein Konflikt, der weit über die Tibet−Frage hinauswachsen könnte: hier
gewissermaßen die westlichen Olympia−Spielverderber, die moralinsauren Neider von Wachstum und Erfolg
der neuen Supermacht dort die chinesischen Menschenrechtsverächter, die rücksichtslosen Verfechter eines
religionsfeindlichen Materialismus.
Tatsächlich wächst in China die Empörung bis hin zu den schärfsten Regierungskritikern. Einer von ihnen,
der geschasste, für seine KP−Kritik im Westen gefeierte Exchefredakteur Li Datong, war Gast von
Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihres letzten Peking−Besuchs. Merkel wollte die KP ärgern, ihr
zeigen, dass sie auch mit ihren Gegnern spricht. Doch jetzt ärgert sich Li über Deutschland.
Er empfängt den Reporter in seiner Pekinger Wohnung mit Fotos und Überschriften der Bild−Zeitung auf
dem Computer. Dreimal wurden offenbar Bilder von Protesten in Nepal und Indien verwendet, als Illustration
für angebliche chinesische Unterdrückungsmaßnahmen gegen Tibeter. Li ist angewidert. Er findet die
Tibet−Berichterstattung im Westen so einseitig wie in China. Er kritisiert ein romantisches Tibet−Bild:
»Blauer Himmel, weiße Wolken, grünes Grasland«. In Wirklichkeit müsse sich der tibetische Buddhismus
genauso säkularisieren wie etwa in Thailand. Schuld daran sei weniger die chinesische Politik als die
Modernisierung. Dabei bleibt Li ein harter Kritiker seiner Regierung, der er vorwirft, den Dalai Lama falsch
beschuldigt zu haben: »Ohne den Dalai Lama wäre die Lage viel schlimmer, dann wären die Separatisten
längst schon Terroristen.«
Wenn aber schon einer wie Li die westliche Kritik ablehnt, dann erreicht sie in China so gut wie gar keinen.
Im Westen mag es heißen, das Volk sei manipuliert und indoktriniert. Aber die meisten Chinesen treten
überzeugt für die Einheit Chinas ein wie schon der erste Qin−Kaiser vor über zweitausend Jahren. Auch der
demokratische Sun Yatsen, der vor hundert Jahren das moderne China gründete, sah die fünf großen
Volksgruppen Han, Tibeter, Mandschu, Mongolen und Hui als »fünf Finger« seines Landes. Das hat für
die meisten Chinesen nichts mit dem durchschaubaren Nationalismus der KP−Propaganda zu tun. Vielmehr
ist es für sie die Ultima Ratio jeder chinesischen Staatspolitik, das große Reich zusammenzuhalten. China
zählt 55 Minoritäten, sie leben auf 80 Prozent des Staatsgebiets. Aufstände wie derjenige der Tibeter im März
in Lhasa sind historisch nichts Neues. Peking hat sie immer mit einer Mischung aus Almosen und Härte
bekämpft.
Hetzreden gegen die »französischen Schweine«
Was dagegen die Chinesen heute schockiert, ist eine scheinbar vom Westen unterstützte Exilbewegung, die
die Bühne der Olympische Spiele nutzt, um rund um die Welt den Unabhängigkeitsruf »Free Tibet!«
erschallen zu lassen. »China ist zu weich und schwach, deshalb sind wir heute so einer Schikane ausgesetzt«,
schimpft eine Forumsteilnehmerin des chinesischen Internetportals sina.com. Viel mehr noch als in den
Regierungsmedien verschafft sich der chinesische Olympia−Frust im Internet Luft. »Von wegen Demokratie,
Freiheit und Menschenrechte sie wollen alle nur zusehen, wie sich China blamiert«, setzt ein anderer
Teilnehmer hinzu. »Die westlichen Mächte lassen keine Chance aus, China zu demütigen. Jetzt reden sie über
einen Olympia−Boykott, und ihre Präsidenten kommen nicht. Verdammt! Dann machen wir eben eine
Dritte−Welt−Olympiade«, schreibt ein weiterer.
Die meisten Reaktionen klingen eher enttäuscht, doch findet man im chinesischen Internet auch zahlreiche
Hetzreden auf »tibetische Hunde« und »französische Schweine«. Vor solchen Exzessen warnte
Fackellauf−Sprecher Qu als »Samen des Hasses«. Die Frage stellt sich: Wie weit wird der chinesische
Olympia−Backlash gehen, wenn sogar das IOC schon über einen Abbruch des Fackellaufs diskutiert? Wären
die Chinesen am Ende wieder eine gedemütigte Nation? Viel schlimmer, argumentiert der Essayist Wang
Lixiong: »Im Krisenfall könnte der chinesische Nationalismus gegenüber der Welt fanatisch werden und im
Inland zu einem Rassismus gegen Minoritäten führen.«
Außer Durchhalteparolen ist der KP wenig eingefallen
Wang ist mit einer tibetischen Schriftstellerin verheiratet, persönlich mit dem Dalai Lama bekannt und zählt
zur wachsenden Zahl chinesischer Intellektueller, die sich mit der tibetischen Kultur identifizieren. Sie
erscheint ihm als Alternative zum geistigen Vakuum der chinesischen Jugend, ihrem Materialismus. Er
fürchtet, dass sich die Emotionen der Jugend jetzt gegen die Tibeter wenden, auch als Reaktion auf westliche
Kritik. Damit würden die jungen Leute wieder das »böse China−Image« im Ausland reproduzieren. Ein
Teufelskreis.
Erstaunen muss dabei vor allem, wie Peking und seinen westlichen Olympia−Partnern das Heft aus der Hand
geglitten ist. Außer Durchhalteparolen für Fackelläufer hat die KP bislang keine Antwort auf die weltweiten
Proteste der Pro−Tibet−Aktivisten. Aber auch die westlichen Regierungen scheuen sich, sich zu den Spielen
in Peking zu bekennen.
Viele Chinesen ärgert das. Viele freilich wissen auch noch gar nicht, was los ist. »Was? Der Fackellauf wurde
unterbrochen?«, wundert sich Dorfbürgermeister Yang Yunbiao in der südostchinesischen Provinz Anhui.
Yang ist ein demokratischer Dorfreformer, dafür bis nach Peking bekannt. Die Olympischen Spiele in China
empfindet er als historisch beispiellos. »Da hoffe ich als Chinese von Herzen, dass sich die chinesische Kultur
und Weisheit der Welt darstellen können«, sagt Yang. Es sind auch diese hohen Erwartungen an ein nicht nur
KP−inszeniertes, sondern international akzeptiertes Sportfest Olympia, die jetzt bei vielen Chinesen bitter
enttäuscht werden。
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[ 本帖最后由 空气稀薄 于 2008-4-17 17:44 编辑 ] |
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