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Wirtschaftskrise
China will dieses Jahr den Kapitalismus retten
http://www.welt.de/politik/article3091879/China-will-dieses-Jahr-den-Kapitalismus-retten.html
China will dieses Jahr den Kapitalismus retten (3)
Von Johnny Erling 27. Januar 2009, 12:16 Uhr
Die Talfahrt der weltweiten Wirtschaft und Barack ObamasProtektionismus in den USA: Für Wen Jiabao gibt es auf seinerdieswöchigen Europareise viel Gesprächsstoff. Chinas Premierministerbefürchtet als Auswirkung der Wirtschaftskrise massenhafteArbeitslosigkeit in seinem Land.
Beneidenswertes China. In seinen Städten ist von der Wirtschaftskrise wenig zu spüren. Im Rausch der Feiertage auf das Frühlingsfest in dieser Woche zum neuen Jahr des Büffels verdrängen Reise- und Einkaufsorgien alle Befürchtungen, genau wie es in Europa vor der Weihnachtszeit war. Chinas Propaganda verbreitet mit Symbolen Zuversicht. Die Zeitungen drucken etwa Bilder eines großen roten Herzens ab, in dem die Staatsfahne und die Inschrift "Wir haben 2008 neun Prozent erreicht" zu sehen sind.
Wachstum ist Herzensangelegenheit in China. Blauäugige Meldungen aus dem Ausland, wonach das Land dank seiner Devisenreserven und Konjunkturprogramme wie ein Leuchtturm im stürmischen Meer dastehe, werden in Peking als SMS-Wortspiel zum Neujahrsgruß verarbeitet: "1949 hat der Sozialismus China gerettet. 1978 war es der Kapitalismus. 1989 hat China den Sozialismus gerettet. 2009 rettet es den Kapitalismus."
Schön wär's. Premier Wen Jiabao sorgt sich öffentlich, dass die Krise 2009 seinem Land schwerer zusetzen wird, als die meisten Chinesen derzeit noch glauben. Vergangenen Herbst bei der Asem-Tagung in Peking warnte er bereits die Außenwelt, von China mehr zu erwarten, als die eigene Wirtschaft vor dem abrupten Absturz zu bewahren. Allein das wäre jedoch schon ein großer Beitrag zur Stabilisierung der Weltwirtschaft.
Akute Gefahren drohten 2009 durch die Massenarbeitslosigkeit von zwei ganz unterschiedlichen Gruppen. Peking fürchtet nach dem Frühjahrsfest die Überflutung seiner Städte mit 20 bis 30 Millionen Wanderarbeitern, die ihre Jobs verloren haben, aber nicht in ihren Dörfern bleiben wollen. 2009 droht zudem eine Akademikerschwemme von sieben Millionen jungen Chinesen mit Hochschulabschluss, die Arbeit suchen. Es wäre ein Albtraum für die Führung, wenn frustrierte Arbeitslose sich anderen politischen Protestgruppen anschließen. 2009 ist ein Jahr voller kritischer Gedenktage – von Tibets Aufstand 1959 bis zum Falungong-Verbot 1999 und dem Tiananmen-Massaker 1989.
Wen Jiabao verzichtet auf Frühlingsfest
Das Frühlingsfest ist Chinas einzige Feier, bei der auch die Politik Pause machen muss. Premier Wen bricht nun mit dieser Tradition, um nach Europa zu fahren. Am Dienstag jettet er zum Weltwirtschaftsforum nach Davos, bevor er am 29. Januar zum Staatsbesuch in Berlin, dann bei der EU in Brüssel, in Madrid und in London erwartet wird. Im Außenministerium sagte der hochrangige Abteilungsleiter Wu Hongbo, der in Peking als zukünftiger Botschafter für Deutschland gilt, dass die Finanzkrise alle Staaten herausgefordert hat: "Das bedeutet aber auch, dass ihre Bekämpfung Chancen zu neuen Kooperationen bietet."
Nachdem die Beziehungen im Jahr 2008 arg strapaziert wurden, wendet Peking sich im Jahr des Büffels wieder dem europäischen Stier zu. Von einer "Reise des Vertrauens" schreiben Chinas Medien. Kaum zwei Monate nach der brüsken Absage des EU-China-Gipfels am 1. Dezember als Reaktion auf das Treffen des damaligen EU-Ratsvorsitzenden Nicolas Sarkozy mit dem Dalai Lama sucht China nach neuen Anknüpfungspunkten für verbesserte Beziehungen.
Zwar macht der 66-jährige Premier bei seiner ausgedehnten Reise noch einen Bogen um Frankreich und hofiert Deutschland und Großbritannien. Doch unter Außenpolitikexperten wird über eine neue Anlehnung Chinas an Europa heftig diskutiert. Die zustimmenden Kommentare überwiegen.
Forscher der Akademie der Sozialwissenschaften rufen nach einer "flexiblen und konstruktiven Außenpolitik, statt immer mit Protesten und Strafen zu reagieren". Der Pekinger Politologe Pang Zhongying schreibt, dass die Krise "Ausgangspunkt für die Erneuerung unserer Beziehungen wird". Sie kommt in einem Moment, in dem weltweit die Karten neu verteilt werden.
Angst vor amerikanischen Protektionismus
Mit Vorbehalten beobachtet Peking den Amtsantritt von Barack Obama. Am Wochenende verstärkten sich Chinas Befürchtungen vor einer neuen Runde des Protektionismus. Obamas designierter Finanzminister Timothy Geithner hatte vor dem Senat zu Protokoll gegeben, dass der neue Präsident "glaubt, dass China seine Währung manipuliert". Wenn der US-Präsident diesen Vorwurf aufrechterhält, müsste seine Administration Strafzölle verhängen und Handelsbarrieren gegen China errichten. Peking irritiert die Aussicht bereits so stark, dass sein Handelsministerium und die Zentralbank gestern öffentlich den Vorwurf der Manipulation scharf zurückwiesen – der erste Schlagabtausch mit dem neuen US-Präsidenten.
Amerikanischer Protektionismus würde nicht nur Chinas Wirtschaft abstürzen lassen, sondern zum weltweiten Wirtschaftsfiasko führen. Die Chinesen erwarten von Premier Wen, dass er das Thema in seiner Rede in Davos anspricht, spätestens aber beim G-20-Gipfel in London im April. Dessen Vorbereitung ist das Ziel der Europareise des Premiers.
Wenn sich bis zum G-20-Gipfel noch immer kein Weg zeigt, wie sich die Talfahrt der Wirtschaft stoppen lässt, droht die Welt in die nächste Krisenphase einzutreten. Dann, so warnte Angela Merkel schon beim Asem-Gipfel im Herbst, könnte es zu sozialen und politischen Verwerfungen kommen. Das zu verhindern ist gemeinsames Interesse Chinas und Europas. |
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