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Schuh-Wurf
Mit Sneakers gegen Wen Jiabao
VON BERNHARD BARTSCH
Wenn Engländer einen deutschen Akzent hören, denken viele an Hitler. Nun mussten sie sich in eben diesem Zungenschlag vorwerfen lassen, einen solchen zu hofieren. "Dieser Diktator hier, wie könnt ihr euch die Lügen anhören, die er erzählt?", schrie am Montag ein junger Mann dazwischen, während der chinesische Premier Wen Jiabao an der britischen Eliteuniversität Cambridge eine Rede hielt. Dann schleuderte er einen Schuh nach dem Regierungschef, verfehlte ihn jedoch um gut einen Meter.
Bisher ist die Identität des Demonstranten nicht bekannt, der offensichtlich die Attacke eines irakischen Journalisten gegen US-Präsident George W. Bush nachahmen wollte. "Der Akzent lässt auf einen Deutschen schließen", kommentierte die britische Zeitung Daily Telegraph unter Verweis auf im Internet verbreitete Videoaufnahmen. Die Polizei teilte lediglich mit, ein 27-Jähriger sei wegen eines Ordnungsdelikts festgenommen worden und werde am 10. Februar dem Richter vorgeführt.
Spätestens dann wird sich herausstellen, ob Deutschland wieder einmal zur Angriffsfläche empörter Chinesen wird, die ihre nationale Ehre verletzt sehen. Vorausgesetzt Chinas Propagandabehörden setzen den Affront ähnlich in Szene wie 2007 den Dalai-Lama-Empfang von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
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Am Dienstag versuchte Peking allerdings zunächst, die peinliche Episode zum Abschluss von Wens Reise totzuschweigen. Die Nachrichtenagentur Xinhua berichtete lediglich von einem "Zwischenfall". Die Volkszeitung, das unmittelbare Sprachrohr der Kommunistischen Partei, ignorierte die Szene vollständig. Erst in den Abendnachrichten zeigte der Staatssender CCTV dann doch Bilder von dem Schuhwurf.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Neuigkeit jedoch bereits im Internet verbreitet - trotz intensiver Versuche, Einträge von den Webseiten zu entfernen. Wütende Kommentare ließen nicht lange auf sich warten. "Der erste, der Schuhe schmiss, war ein Genie, aber der zweite ist ein Schweinekopf", lautet ein Eintrag auf einer Seite, die vor allem Studenten besuchen. "Wir Chinesen werden einem Schurken nicht erlauben, so mit unserem Premier umzugehen." Einige Benutzer forderten gar einen Boykott der Olympischen Spiele in London 2012. Dabei hatten die Chinesen sich über den Angriff auf Bush im Dezember noch bestens amüsiert. Zeitungen berichteten groß darüber. Mehrere Firmen brachten Bush-Treter auf den Markt. Schuhgeschäfte ließen ihre Kunden auf große Pappfiguren des US-Präsidenten werfen und versprachen bei einem Kopftreffer 50 Prozent Rabatt.
Selbst Außenamtssprecher Liu Jianchao mokierte sich: "Vielleicht muss ich nicht nur aufpassen, wer hier die Hand hebt, sondern auch, wer seine Schuhe auszieht", witzelte er vor dem internationalen Journalistenkorps.
Zwar versteht Peking diesmal keinen Spaß und ließ am Dienstag seine "starke Unzufriedenheit" über den Vorfall verkünden. Doch der Freundschaft zwischen China und England könne die Episode keinen Schaden zufügen, hieß es aus dem Außenamt. Selbiges dürfte wohl auch für Deutschland gelten, sollte der Schuhwerfer tatsächlich als Bundesbürger geoutet werden.
Das hofft man wohl auch in der Adidas-Zentrale im bayerischen Herzogenaurach. Bilder vom Corpus Delicti zeigten nämlich einen unappetitlich abgewetzten Turnschuh mit den markanten drei Streifen. Womöglich ist Adidas in China knapp an einem Boykottaufruf vorbeigeschrammt. |
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