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[翻译完毕] 【待译】德国时代周报:Herr Lu, Herr Li und die Krise(花久志长篇评论)

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发表于 2009-2-20 02:56 | 显示全部楼层 |阅读模式
Georg Blume(花久志)的长篇评论,希望有人认领。

http://www.zeit.de/2009/07/China
China
Herr Lu, Herr Li und die Krise


Von Georg Blume und Angel Köckritz
05.02.2009 Nr. 07


Chinas scheinbar grenzenloses Wachstum ist jäh gestoppt. Die Regierung fürchtet Unruhen. Wie ein Wanderarbeiter und ein reicher Unternehmer das Ende des Booms erleben

Peking/Zhangyi - Dieser Tag lässt ihn nicht los. Allen muss er davon erzählen, der Großmutter und der Urgroßmutter, den Nachbarn links, den Nachbarn rechts. Von dem Tag, an dem er, der Wanderarbeiter aus Zhangyi, aufbrach und die Regierung das Fürchten lehrte. Seit einem Jahr arbeitete der Schneider Lu Zhanqiang in einer Pekinger Textilfabrik, die Kleidung für den Export produziert. Morgens um acht setzte er sich an seine Nähmaschine, abends um zwölf verließ er die Fabrik. Einen Tag im Monat hatte er frei, dann war er so kaputt, dass er sich aufs Bett warf und schlief.

Seit acht Jahren lebt Lu in Peking, er hat so gut wie nichts von der Stadt gesehen. Den Sommerpalast kennt er nicht, die Verbotene Stadt ebenso wenig. Lu ist zum Arbeiten in Peking, so wie seine 62 Kollegen, Wanderarbeiter wie er, Bauern, die ihre karge Scholle verließen, um in den Städten zu schuften. 200 Millionen von ihnen soll es in China geben, Tagelöhner der Globalisierung, ohne die der sagenhafte Aufschwung des Landes nicht möglich gewesen wäre. Nun ist Lu heimgekehrt in sein Dorf in der Nähe der Kreisstadt Zhangyi, einen armen, stillen Flecken Erde im Norden der Provinz Hebei, gleich an der Grenze zur Inneren Mongolei, und erzählt, was ihm in den vergangenen Wochen in Peking wiederfahren ist.

Anfangs lief es ganz gut in Lus Fabrik. Die Aufträge aus dem Ausland kamen, die Arbeiter schneiderten, der Chef zahlte. Doch dann blieben im Oktober letzten Jahres die Aufträge aus. Schneller, als von irgendjemand vorausgesagt, hatte die globale Wirtschaftskrise China erreicht. Der Chef ging pleite, Ende Januar schuldete er Lu und seinen Kollegen den Lohn von vier Monaten. Vier Monate, in denen sie täglich 14 Stunden gearbeitet hatten. Lu weiß nicht viel über die Wirtschaftskrise, eines aber wusste er: So konnte es nicht weitergehen. »Einen, zwei Monate ohne Lohn, daran haben wir uns ja längst gewöhnt. Vier Monate aber, das konnten wir nicht hinnehmen.«

Keiner der 63 Arbeiter kennt die Gesetze, keiner hatte einen Arbeitsvertrag. Sie gingen zur Gewerkschaft, sie gingen zur Mutter des Chefs, und als alles nichts half, gingen sie zur Regierung. Welches Regierungsbüro es war, das weiß Lu Zhanqiang nicht. 53 von ihnen stellten sich in den Eingang und sagten: »Wir gehen nicht mehr weg, bis uns jemand hilft.« Ein Beamter drohte ihnen mit Gefängnis, sie antworteten: »Wir haben kein Geld mehr, zu essen oder die Miete zu zahlen. Im Gefängnis sind wir besser dran als draußen.« Irgendjemandem in dem Büro muss es mulmig geworden sein, irgendjemand muss an die Millionen im Land gedacht haben, denen es genauso erging wie den 53 Schneidern. Die mit einem Schlag arbeitslos wurden, weil die Aufträge aus dem Ausland ausblieben. Und er mag sich gefragt haben: Was geschähe wohl, wenn sie alle gemeinsame Sache machten? Wie viele Regierungsbüros könnten sie stürmen, wie viele Türen verstellen?

Lu weiß nicht, wer die Sache entschieden hat, doch noch am selben Abend kam ein Mann von der Gewerkschaft vorbei und zahlte den Arbeitern ihren Lohn aus. Auf Regierungskosten. Alle bekamen ihr Geld, gerade noch rechtzeitig, bevor sie zum Frühlingsfest in ihre Dörfer zurückkehrten, zum chinesischen Neujahr, dem wichtigsten Fest des Jahres. Alle bis auf Lus Schwägerin. Sie ist 16, hat noch keinen Personalausweis, deswegen wollte ihr der Beamte nichts geben. »Den ganzen Weg nach Hause hat sie geweint«, sagt Lu. Heimzukehren ohne einen Yuan, was für eine Schande! Lu würde ihr gerne helfen, doch er weiß nicht, wie. Die Gesetze, die Ämter, was für ein Dickicht, wie soll sich einer wie er da durchkämpfen? »Dass wir überhaupt unser Geld bekommen haben, lag doch nur daran, dass wir so viele waren. Allein hätte das keiner von uns geschafft!«, sagt Lu und steckt sich eine Zigarette an. Er liegt auf dem Kang, dem mit Kohle befeuerten Bett, im Haus der Eltern in seinem Heimatdorf. Der Hase ist geschlachtet, das Schwein ebenso, in wenigen Stunden wird das Fest beginnen.

Zum ersten Mal droht der Regierung der Vertrauensverlust des breiten Volkes

Lu hat seinen Lohn bekommen, doch nun ist er arbeitslos, ein Opfer der weltweiten Krise. Ein China, dessen Wirtschaft nicht mehr wächst, konnte sich bislang niemand so recht vorstellen. Das rasante Wachstum aber ist jäh zum Stillstand gekommen. Im Jahr 2007 schnellte das chinesische Bruttosozialprodukt noch um 13 Prozent in die Höhe. Doch schon im vergangenen Quartal 2008 schrumpfte es im Vergleich zum vorherigen Quartal um 0,5 Prozent. Auf bis zu 50 Millionen schätzt die Internationale Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) die Zahl der weltweit durch die Krise bedingten Arbeitslosen. Nur Chinas Wanderarbeiter, die in keiner Statistik geführt werden, zählt auch die ILO nicht mit. Tausende kleiner Export- und Baubetriebe sind in China bankrott. 20 Millionen Wanderarbeiter seien bereits entlassen worden, meldet die Pekinger Regierung. Nach Informationen der Europäischen Handelskammer in Peking werden es bald doppelt so viel werden: 40 Millionen Wanderarbeiter müssten in diesem Jahr mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen, so Kammer-Chef Jörg Wuttke.

Die Regierung fürchtet, in diesem Jahr eine Wachstumsrate von acht Prozent zu unterschreiten – so viel Wachstum aber braucht China nach Einschätzung der Regierung, um die soziale Stabilität aufrechtzuerhalten. Westliche Ökonomen sagen derweil ein Jahreswachstum von nur noch fünf Prozent voraus. Was wird geschehen, wenn die Rezession der vergangenen Monate weitergeht, wenn es zur Massenarbeitslosigkeit im Land kommt? Droht das Regime in Peking zu wanken? Ist die Stabilität Chinas in Gefahr?

Die regierende KP, die im Oktober den 60. Jahrestag ihrer Staatsgründung feiern will, steht vor der größten Herausforderung seit Beginn ihrer Marktreformen vor 30 Jahren. »Die Phase des schnellen Wirtschaftswachstums ist vorbei. Zum ersten Mal droht der Regierung der Vertrauensverlust des breiten Volkes«, warnt der Pekinger KP-Vordenker Shang Dewen. Nicht nur die Ärmsten der Armen müssen um ihre Zukunft bangen, auch der Mittelstand ist von der Krise betroffen. Angestellte fürchten um ihre Arbeit. 1,5 Millionen Hochschulabsolventen fanden schon bis Jahresende keine Stelle, und im Sommer kommen noch mal 6,1 Millionen Abgänger hinzu. Voraussichtlich werden 2009 mehr als zwölf Prozent der Studenten arbeitslos sein.

»Wenn Amerika hustet, dann ist China gleich erkältet!«

Schon einmal entließ die KP Menschenmassen in die Arbeitslosigkeit. Ende der neunziger Jahre ließ der damalige Premierminister Zhu Rongji rigoros die alten kommunistischen Staatsbetriebe schließen. Damals wurden binnen kurzer Zeit 50 Millionen Menschen arbeitslos. Doch zu Protesten kam es nur sporadisch. »Die Menschen waren anspruchslos«, erinnert sich Shang Dewen. Das sei heute anders. In den letzten Jahren haben die Wanderarbeiter gelernt, ihren Forderungen durch gemeinsame Protestaktionen Nachdruck zu verleihen. Dabei sprangen mitunter Lohnsteigerungen von bis zu 50 Prozent für die einfachen Fabrik- und Bauarbeiter heraus. Die Ansprüche der Arbeitsmigranten sind rapide gestiegen und mit ihnen das proletarische Selbstbewusstsein.

Lang ist es her, dass sich Li Hongfu zu den Proletariern zählte. Früher war er ein armer Sportlehrer, heute führt er ein kleines Papierunternehmen in Peking. Der 66-Jährige ist ein reicher Mann. Mit seiner Frau und der erwachsenen Tochter lebt er in einer luxuriösen Wohnung im Pekinger Nobelvorort Yizhuan. Hier empfängt er seine jüngeren Brüder und Schwestern samt ihren Familien zum Neujahrsfest. Er trägt seinen weiß gestreiften Schlafanzug. Von der Begrüßung am Silvestermorgen bis zur Verabschiedung am Neujahrsmorgen zieht Li das einfache Nachtkleid nicht aus. »Als Familienchef will ich Vertrautheit vermitteln«, sagt er.

Seine große Familie feiert diesmal kein ausschweifendes Fest mit Feuerwerk und großem Gaststätten-Bankett. So habe man das vor ein paar Jahren gemacht, aber man werde älter, sagt Li. Nun kocht seine Familie wieder die traditionellen Neujahrsmaultaschen. Gemeinsam stehen die Geschwister am Küchentisch, rollen den Teig aus und kneten die Füllung, während sie über den gemeinsam erstandenen Biobauernhof am Rande der Stadt reden. Unten im Keller spielen die Kinder Karten, Tischtennis und Billard. Lis großer Keller gleicht einer Spielhalle. Doch die Spiele sind die gleichen wie auf dem Dorf. »Wir sind eine traditionelle Familie«, sagt Li. »Wir wollen einfach nur zusammen sein.« Trotz des vertrauten Beisammenseins der Familie will sich der traditionell hoffnungsvolle Ausblick auf das neue Jahr nicht einstellen. »2009 gibt es keinen Grund für Optimismus«, sagt Unternehmer Li. Er will seinen Geschwistern nichts vormachen. »Nach dem Naturgesetz der Partei müsste es Jahr für Jahr besser gehen. Aber dieses Jahr ist anders.«

Er hat gerade eine seiner schwierigsten Zeiten hinter sich gebracht. »Im November brach der Markt plötzlich weg«, sagt Li. Er hatte Papier eingekauft, viel Papier, und dafür 7000 Yuan (umgerechnet 700 Euro) pro Tonne bezahlt. Lis Firma lebt vom Verkauf des Papiers von Fabriken an Verlage und andere Unternehmen. Doch nun wurde er sein Papier plötzlich nur noch für Preise unter 6000 Yuan pro Tonne los. Das US-lastige Exportgeschäft seiner Kunden in Südchina war zusammengebrochen. Die Handyhersteller brauchten kein Papier mehr für die Herstellung ihrer englischen Bedienungsanleitungen, weil die Amerikaner weniger chinesische Handys kaufen. Die Spielzeugproduzenten benötigten kein Papier mehr für ihre Verpackungen, weil die Amerikaner weniger chinesisches Spielzeug wollen. »Die Krise hat schon viele meiner Kunden Bankrott machen lassen«, sagt Li.

Es ist kurz nach Mitternacht, Li sitzt am Küchentisch. Das Mondjahr 2009 ist noch nicht mal eine Stunde alt. Er darf als Erster von den frisch gekochten Maultaschen kosten. »Köstlich«, murmelt er. Aber er lässt sich nicht vom Thema abbringen. »Wenn Amerika einmal hustet, ist China gleich erkältet.«

Er weiß nicht, dass er damit den meisten westlichen Ökonomen widerspricht. Die hatten bisher, ganz zum Gefallen der KP-Führung, von Chinas relativer Unversehrtheit in der Krise gesprochen. Dafür gab es gute Gründe: Chinas gesunde Banken, die großen Devisenrücklagen und ein bis zuletzt im zweistelligen Bereich steigender Privatkonsum. Selbst die Experten, die nie an die Entkoppelung der chinesischen Wirtschaft von den reichen Industrieländern geglaubt hatten, hielten deshalb ein Wachstum Chinas auch bei fallenden Exporten in die USA und nach Europa für gesichert. Doch diese Hoffnungen haben sich vorerst zerschlagen. Zu sehr ist China mit der Weltwirtschaft verknüpft, zu sehr hängt die Privatwirtschaft des Landes von Exporten, vor allem auch in die USA, ab, als dass die Krise an ihr vorbeigehen könnte. Die heimische Nachfrage ist schwach, der Privatverbrauch umfasst nur 30 Prozent des Bruttosozialprodukts. Er kann das Exportgeschäft noch nicht ersetzen.

Was aber nützen die vorhandenen Bank- und Staatsgelder einem Mittelstand, der seine Auslandskunden verliert? Zumal diese Kunden nicht einfach durch heimische ersetzt werden können. Zu groß sind die Unterschiede in den Ansprüchen zwischen einem westlichen Kaufhauskunden und dem chinesischen Landbewohner. Zudem wurde die chinesische Wirtschaft im Herbst von einem Doppelschlag getroffen, fast zeitgleich mit dem Beginn der internationalen Wirtschaftskrise platzte in China die heimische Immobilienspekulationsblase. Die Folge: Export- und Bauwirtschaft, die Pfeiler des chinesischen Wachstums, brachen gleichzeitig ein. Nicht nur in China, auch in Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong und Vietnam wurde das Wirtschaftswachstum infolge der US-Krise jäh gestoppt. Dabei brach auch der Handel zwischen den asiatischen Ländern zusammen, weil er Teil einer Versorgungskette ist, die letztlich zu einem großen Teil auf der Nachfrage in den USA und in Europa beruht. Ein Wiederanstieg der Nachfrage im Westen aber ist nicht in Sicht.

Wenn doch nur der Staub nicht wäre! Wanderarbeiter Lu Zhanqiang schüttelt unwirsch den Kopf. Gerade eben hat er die schönen Lederschuhe geputzt, und jetzt, kaum hat er einen Fuß auf die ungeteerte Dorfstraße gesetzt, sind sie schon wieder dreckig! Am Neujahrsmorgen treibt Lu mit seinem Vater und ein paar Nachbarn die Rinder des Dorfes in die Berge, wo sie das gelbliche Gras weiden. Seit vier Tagen ist Lu zurück in seinem Heimatdorf, seither kämpft er gegen den Staub. Die Nachbarn haben den Kampf längst aufgegeben, sie haben sich in farblose Wollpullis und Militärparkas gehüllt. Ihre Hände sind von harter Feldarbeit gezeichnet, Lus hingegen sind weich und weiß, die Nägel seiner kleinen Finger hat er sich lang wachsen lassen, das alte Erkennungszeichen derer, die es nicht nötig haben, mit beiden Händen in der Erde zu wühlen.

Wanderarbeiter Lu glaubt nicht an die Krise, es ging doch immer bergauf

Als Schneider weiß Lu, wie viel von einem akkurat gebügelten Hemd, von ein wenig Eleganz abhängen kann. Gerade in Peking ist das bisschen Eleganz entscheidend, wo doch die Städter auf die armen Dörfler herabsehen. Ein wenig fühlt sich Lu selbst als Städter, er war doch ein ganz anderer, als er vor acht Jahren nach Peking kam. »Ich wusste damals nichts!« Tief beeindruckt war er, als er in den U-Bahnen die Schilder sah, die dazu aufforderten, Schwangeren und Alten den Platz freizumachen. Lu hatte in Peking sein bescheidenes Auskommen, und wenn er auch nicht reich wurde, so war es doch mehr, als er von einem Leben auf dem Land hätte erwarten können. Und jetzt, wo Lu in sein Dorf zurückgekehrt ist, genießt er es, derjenige zu sein, der die Hochsprache Mandarin spricht, wo seine Nachbarn nur den lokalen Dialekt beherrschen.

Viele sind ohnehin nicht zurückgeblieben. Alle, die jung und kräftig sind, haben das Dorf verlassen, um in den Städten zu arbeiten. Die Grundschule des Dorfes ist längst geschlossen, nur die Alten sind geblieben, und auch das nur gezwungenermaßen. Selbst Lus Eltern, beide um die 60, haben versucht, in der Stadt Arbeit zu finden, doch sie waren zu alt. Niemand wollte sie einstellen.

In den Bergen tragen die Männer Stroh zusammen, um ein Feuer zu machen, ihre Gesichter sind rot von der beißenden Kälte. »Es gibt Leute, die sagen, dass viele Wanderarbeiter im nächsten Jahr keine Arbeit mehr finden werden«, sagt Lu. Er will das nicht glauben, es ging doch immer bergauf. Wirtschaftskrise, das klingt so abstrakt, so weit entfernt, was hat das denn mit ihnen zu tun? In den zensierten Medien kommt die Krise fast nicht vor, es gibt sie nur in Amerika, Japan und Europa. Lu glaubt seiner Regierung. Nur manchmal schleicht sich ein leiser Zweifel ein. Die anderen Männer schauen schweigend zu Boden, einer kratzt sich am Kopf. Was sollen sie auch sagen? Ihr Boden ist zu karg, sie alle zu ernähren. Sie haben keine Alternative zur Arbeit in der Stadt, kein Sicherheitsnetz. Lu zieht die Mundwinkel nach oben, sein Lächeln wirkt ein wenig angestrengt. »Ich werde schon etwas finden. Mit Kleidung ist es so wie mit Brot. Das brauchen die Leute immer.«

So wie Lu denken viele, egal, ob sie Kleidung oder Spielzeug fertigen oder auf dem Bau arbeiten. »Die Menschen spüren die Ernsthaftigkeit der Krise noch nicht«, sagt Professor Cai Fang, Leiter des Instituts für Bevölkerung und Arbeitsmarkt der Chinesischen Sozialakademie in Peking. Es liege daran, dass die vertragslosen Wanderarbeiter es gewohnt seien, ihre Arbeit in der Stadt vor dem Neujahrsfest aufzugeben, um das Fest daheim auf dem Dorf zu feiern. Anschließend suchen sie wieder einen neuen Job. Doch was passiert, wenn sie keinen finden? »Für die Wanderarbeiter gibt es kein Zurück mehr aufs Land. Ohne Arbeit werden sie durch die Städte vagabundieren und für soziale Instabilität sorgen«, prophezeit KP-Mitglied Shang Dewen. Das soziale Chaos, so Shang, könne schnell außer Kontrolle geraten.

»Wenn du nach einem Vertrag fragst, lachen dich die Chefs bloß aus«

Weiß die KP-Führung, was da auf sie zukommt? Immerhin lässt die Partei Anfang dieser Woche zum ersten Mal in den Titelspalten der Zeitungen über die neue Arbeitslosigkeit der Wanderarbeiter berichten. Doch vermeidet es die Regierung um Premierminister Wen Jiabao bisher, von einer Krise zu sprechen. »Die Führung hat entschieden, allen zu sagen, dass es China gut geht«, sagt KP-Intimus Shang. »In Wirklichkeit aber fürchtet sie die Krise mehr als alle anderen.« Shang spricht von einem neuen Streit im Politbüro, dem inneren Führungszirkel der Partei. Demnach hätten die Parteisekretäre der wirtschaftlich fortgeschrittensten Regionen Chinas, Wang Yang aus Guangdong und Yu Zhengsheng aus Shanghai, die Krisenstrategie von Premier Wen kritisiert. Die beiden Provinzchefs wehren sich, die Krisenbranchen Textil, Spielzeug und Billigelektronik zu subventionieren. Sie wollen die Krise zur Umstrukturierung nutzen. Die Pekinger Führung dagegen glaubt, dass China seine Konkurrenzfähigkeit in den beschäftigungsintensiven Branchen nicht aufgeben darf.

»Unsere Stärke ist das große Marktpotenzial«, sagt Li Hongqing, der jüngste Bruder des Papierunternehmers Li. Das Nesthäkchen ist der Star der Familie: Er hat es bis zum Abteilungsleiter in Chinas mächtigstem Ministerium, der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, gebracht. Im blauen Jeanshemd wirkt Li Hongqing, 56, beinahe jugendlich. Am Neujahrsabend hat er es sich auf der breiten Wohnzimmercouch seines Bruders bequem gemacht, isst Schokolade und guckt die Neujahrsgala im Staatsfernsehen. Wie unsympathisch doch der parteigeschulte Moderator sei, schimpft Li Hongqing.

Später erklärt er das 400 Milliarden Euro schwere Konjunkturprogramm, das seine Behörde innerhalb der Regierung verantwortet. Man wolle damit vor allem die Binnennachfrage auf dem Land und in den westlichen Hinterlandprovinzen stimulieren, sagt Li Hongqing. Die armen Leute, auch die Wanderarbeiter, sollen davon profitieren. Die Regierung hofft, die arbeitslosen Wanderarbeiter durch kostenlose Bildungsangebote auf dem Land halten zu können. Sie verspricht, ihre Landrechte bei der Rückkehr ins Dorf zu garantieren, ihnen Vorrang bei der Anstellung für neue Infrastrukturprojekte zu gewähren. Sie warnt öffentliche Unternehmen davor, Wanderarbeiter zu entlassen. Zudem soll ihre soziale Absicherung verbessert werden. Plus sieben Prozent des Bruttosozialprodukts will der Staat in den nächsten zwei Jahren investieren und vielleicht sogar noch mehr. Das ist prozentual fast doppelt so viel, wie die USA unter Präsident Obama jetzt ausgeben.

Doch Li Hongqing erzählt von diesen Dingen ohne die Begeisterung, die man von einem Parteikader in seiner Position erwarten könnte. Das Konjunkturprogramm schmeckt ihm zu sehr nach Staat, nach Kommunismus, nach dem alten Glauben, dass es China auch aus eigener Kraft schaffen könne. »Nein«, sagt Li Hongqing. »Allein, ohne ein Plus im Handel gibt es auch kein Wachstum mehr.« Der Widerspruch ist offensichtlich, denn viele im Westen hoffen gerade auf das Gegenteil: dass China mithilfe seiner Konjunkturprogramme zum neuen Großkonsumenten der Weltwirtschaft aufsteigt.

Doch davon scheint das Land weit entfernt zu sein. »Die Unsicherheit über Chinas langfristiges Wachstumspotenzial wird wachsen und zu einer kritischeren Interpretation der China-Story führen«, prophezeien die China-Experten der US-Investmentbank Morgan Stanley, Wang Qing und Denise Yam. Dabei hatten gerade Analysten wie sie Chinas Wachstum bisher zum Selbstläufer erklärt. Nun aber stellt sich heraus, dass China genauso wenig gegen die Krisen des Kapitalismus gefeit ist wie andere Staaten auch.

In der Familie Li teilen die Brüder ein gemeinsames Wissen: Sie kennen die Tüchtigkeit der chinesischen Privatwirtschaft, der vielen mittelständischen Unternehmen, die das Land zur führenden Exportnation der Welt gemacht haben. Sie wissen aber auch von der Behäbigkeit und Korruptionsanfälligkeit der staatlichen Wirtschaft. In sie wird nun erneut das große Geld der Konjunkturprogramme fließen. Ob das die Wirtschaft wieder flottmacht? Li Hongfu glaubt nicht daran. Am ersten Arbeitstag nach den Neujahrsferien fährt er mit seinem schwarzen Audi stadteinwärts in die Firma. Er wirkt grimmig entschlossen. »Meine ganze Energie werde ich in das Unternehmen stecken. Da muss ich jetzt durch«, sagt er.

Zwei Wochen später, am 15. Februar, will auch Wanderarbeiter Lu nach Peking zurückkehren, um Arbeit zu suchen. Er kennt das Spiel, Jahr für Jahr ist es das Gleiche. Eine Textilfabrik steht neben der anderen, er geht hinein, spricht ein paar Sätze mit dem Chef, und wenn sie sich verstehen, fängt er am nächsten Tag zu arbeiten an. Ohne Vertrag, versteht sich, »die lachen nur, wenn du danach fragst«. Lu hofft, in einer Fabrik anheuern zu können, die Uniformen für den Inlandsmarkt schneidert, das ist eine sichere Sache, das Exportgeschäft ist ihm zu riskant geworden. Schließlich hat er jetzt eine besondere Verantwortung, seine Frau hat vor zwei Monaten eine Tochter geboren, Lu ist Alleinernährer.
发表于 2009-2-20 05:30 | 显示全部楼层
这篇是时事报道,不是评论。

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发表于 2009-2-20 05:44 | 显示全部楼层
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发表于 2009-2-21 03:11 | 显示全部楼层
翻译中间觉得花花把第三段的wiederfahren写错了,应该是widerfahren.
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发表于 2009-3-8 04:26 | 显示全部楼层
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