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本帖最后由 水墨中国 于 2009-10-22 05:32 编辑
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FAZ.NETChina
China und der WestenWie man einen Feind erzeugt
Von Mark Siemons, Peking
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Studenten-Website aus China: Anti-CNN.com
27. März 2008 Ausder Tibet-Krise ist ein Kommunikationszusammenbruch zwischenchinesischer und westlicher Öffentlichkeit entstanden, den man fastschon einen Kulturkampf nennen muss. Im Westen herrscht die Meinungvor, bei den unkorrekten, zum Teil manipulativen Darstellungen dertibetischen Ereignisse durch einige Medien handele es sich bloß umhandwerkliche Fehler, die aber an der Gesamteinschätzung nichts ändernkönnten. Die Chinesen, die sich in Medienkritik üben, werden inInternetdiskussionen, auch in Deutschland, als „Regierungsclaqueure“oder gar als „gehirngewaschen“ beschimpft, da sie nicht zugleich aufdie chinesische Zensur und Medienabschottung hinwiesen und auch überdie Unterdrückung der Tibeter kein Wort verlören.
In Chinadagegen sind nicht nur Regierungskreise, sondern auch weite Teile derBevölkerung, soweit sie sich in Alltagsgesprächen und Internetforenäußern, von Grund auf über die westliche Behandlung des Themas empört.Wo Chinesen auf offener Straße erstochen oder erschlagen wurden und inihren angezündeten Häusern verbrannten, gebe der Westen das alschinesische Gewalt aus und solidarisiere sich mit den Mördern; ja, erverwehre es den Behörden dann auch noch, die Täter zur Verantwortung zuziehen. Könne es einen schlagenderen Beweis geben für dieVoreingenommenheit nicht bloß gegen den chinesischen Staat, sonderngegen die Chinesen selbst, und den Willen, ihnen übelzuwollen? VieleBlogger wundern sich über die Geschlossenheit des westlichenMeinungsbilds und scheuen ihrerseits nicht vor dem Etikett„Gehirnwäsche“ zurück.
Widerstand gegen den hegemonialen Diskurs des Westens
Eine von Studenten betriebene Website namens www.anti-cnn.com,die es inzwischen schon auf die Titelseite der Staatszeitung „ChinaDaily“ gebracht hat, ruft Chinesen in der ganzen Welt dazu auf, von nunan Beispiele für die Manipulationen westlicher Medien zu sammeln. „Dasist ein Widerstandskampf gegen den hegemonialen Diskurs des Westens“,heißt es dort gut postkolonialistisch, um dann fast auf die Diktion vonBushs „Krieg gegen den Terror“ umzuschwenken: „Wir müssen uns darüberim Klaren sein, dass es ein langer, schwieriger und komplexer Kampfwerden wird.“
Wenn beide Seiten einander der Gehirnwäschebezichtigen, also verdächtigen, fremdgesteuert zu sein, scheint es füreine Verständigung gar keinen Boden mehr zu geben. Eine Websitepräsentierte unter der Überschrift „Dummköpfe gibt es jedes Jahr, aberdieses Jahr besonders viele“ Fotos von westlichen Protestaktionen,Zettel mit der Aufschrift „China Stop killing Tibetans“, die anTerrakotta-Figuren im Museum heften, oder eine blonde Frau vor demBrandenburger Tor mit dem Schild: „China – would you shoot me too?“ Ineinem nachdenklichen chinesischen Blog namens „Vergangene Kleinigkeitenan einer Tränke“ heißt es dazu: „Ich glaube nicht, dass diese deutscheFrau dem Dalai Lama hilft. Sie und ihre Freunde schaden ihm nur, weilsie dafür sorgen, dass eine Tür geschlossen wird, ohne eineMöglichkeit, sie wieder zu öffnen.“ Das einzige Ergebnis sei, dass sichdie Chinesen so schnell wie nie zuvor unter der nationalen Fahnesammelten, bereiter denn je, auf Rechte und Freiheiten zu verzichten,um weitere Verletzungen und Beleidigungen von außen zu vermeiden. DieSchlussfolgerung des Bloggers: „Diese Westler helfen nicht ihrenFreunden. Sie helfen nur dabei, einen Feind entstehen zu lassen und einasiatisches Waisenkind.“
Nationale Souveränität als Schutzschild
Dass es sich bei dieser Stimme keineswegs um einen„Regierungsclaqueur“ handelt, zeigt sich schon daran, dass sie imAbsatz zuvor ausführlich ein Verständigungshindernis der chinesischenSeite benannte: die historisch tiefverwurzelte Idee der „großenEinheit“ von allem unter dem Himmel (tianxia), einer alten Umschreibungvon China. „Alle Gedanken, die man dieser Einheit nicht zuordnen kann,werden als Gedanken einer anderen Gattung angesehen. Entweder werdensie verachtet oder mit Gewalt auf Linie gebracht.“ Das Verlangen nachEinheit, von der man Stabilität erwarte, sei eine Konstante derchinesischen Geschichte.
Ohne dass der Blogger das ausdrücklichsagt, mag dieses Grundmuster in der Tat dazu beitragen, dass sich vieleChinesen so schwer damit tun, sich in die Perspektive etwa von Tibeternzu versetzen oder überhaupt von Leuten, die um universeller Prinzipienwillen diese Perspektive einnehmen. Im neunzehnten und zwanzigstenJahrhundert verschärfte sich dieses Grundmuster noch einmal, als Chinavon den westlichen Mächten, die es überwältigten, die Kategorie der„Nation“ übernahm. Seither sieht es in der „nationalen Souveränität“einen eifersüchtig gehüteten Schutzschild seines Selbstseins. DieEmpfindlichkeit gegen jegliche „Einmischung in die eigenenAngelegenheiten“ und die Neigung, Gründe für diese Einmischung als pureIdeologie anzusehen, sind nicht erst mit der Kommunistischen Parteientstanden, sondern waren schon die entscheidende Antriebskraft derdemokratischen „4.-Mai-Bewegung“ von 1919.
Manipulierte Westler
Auschinesischer Warte gibt es indessen auch im Westen ein Problem mit „demanderen“. Im Blog „Vergangene Kleinigkeiten an einer Tränke“ heißt esvon Westlern, die Chinesen für grundsätzlich unaufgeklärt undmanipuliert halten: „Sie beugen sich voller Selbstbewusstsein zu diesenarmseligen gelben Wesen herab und wollen ihnen eine helfende Handreichen. Sie wollen die Chinesen beraten und erziehen. Diese Westlerverkennen dabei, dass die Chinesen lebendige Menschen mit Gedanken undGefühlen sind. Wie könnte man ohne Gleichberechtigung und Respekt vongegenseitigem Verständnis sprechen?“
Damit deutet der Blogger einParadox des Menschenrechts-Universalismus an, das auch im Westenbisweilen diskutiert wurde und das nun mit voller Wucht aufzubrechenscheint: Auf der einen Seite will dieser Universalismus die Rechtejedes anderen als anderen (in einer Formulierung von Richard Rorty)schützen, wer auch immer und wo auch immer er sei; auf der anderenSeite ist er mit dem Anspruch konfrontiert, dass die Anerkennung desanderen auch die Anerkennung unterschiedlicher Interpretationenbedeuten soll, worin diese Rechte überhaupt bestehen.
Ein Gegner wir konstruiert
Undnoch eine Tücke steckt in der gegenwärtigen China-Kritik. Zum einensetzt sie die Existenz eines immer enger verflochtenen globalenDiskursraums voraus, in dem man sich über die allen gemeinsamenGrundprinzipien verständigen kann. Zum anderen aber sendet sie vermehrtdie Botschaft aus: Wir wollen euch ausstoßen. Im Verlangen nach einemOlympiaboykott steckt ja der kaum verhüllte Wunsch nach einerIsolierung des Landes, nach der Konstruktion eines klar umrissenenGegners. Im chinesischen Internet mehren sich zurzeit die Stimmen, diedas begrüßen: Wenn ihr nicht kommen wollt, dann bleibt doch weg!
Esbedarf keiner umständlichen geopolitischen Erörterung, um zu erkennen,wie fatal eine solche Entwicklung wäre. Nicht von ungefähr hatausgerechnet der Dalai Lama, der über die chinesische Regierungspolitikkein Blatt vor den Mund nimmt, die Olympischen Spiele in Peking mit demArgument verteidigt, die Chinesen könnten mit Recht stolz auf sichsein. Die Achtung vor dem Volk ist durch die politische Kritik nicht inFrage gestellt. Durch die Pekinger Medienabschottung ist die Lage nunverfahrener denn je. Wem es mit der Beachtung universeller Prinzipienin der grausam zerrütteten tibetischen Region ernst ist und mit seinerKritik gehört werden will, sollte bestrebt sein, das kommunikativeDesaster zwischen China und dem Westen aufzulösen, statt es noch weiterzu verschärfen.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: http://www.anti-cnn.com/ |
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