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BERLIN/BEIJING (Eigener Bericht) - Mit Blick auf die zunehmende Bedeutung Chinas für das Wachstum der deutschen Wirtschaft debattieren die deutschen Eliten über den künftigen Umgang mit Beijing. Die weiterhin erstarkende chinesische Wirtschaft sei nicht nur ein reiner Wachstumsmarkt, an dem deutsche Unternehmen mit Gewinn partizipieren könnten, heißt es. Zu beachten sei auch, dass deutsche Konzerne in ihrem Kampf gegen die Krise immer stärker unter Druck gerieten, in China zu investieren; dabei erhalte die chinesische Konkurrenz neuen Zugang zu deutschen Technologien. Schließlich verschaffe der Wirtschaftsboom dem Rivalen Beijing auch ein erhebliches politisches Gewicht. Zu den Sprachrohren, die die Öffentlichkeit deswegen auf eine härtere Gangart gegenüber der Volksrepublik einstimmen, gehört das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das schon vor Jahren mit dem Kampfbegriff "gelbe Spione" gegen in Deutschland lebende Chinesen agitierte. Letzte Woche plädierte die Zeitschrift per Aufmacher ("Die Rivalen - China gegen Deutschland") erneut für ein aggressiveres Vorgehen gegen Beijing. Über die unterschiedlichen Ansätze im deutschen Establishment, Strategien gegenüber China zu entwickeln, berichtet german-foreign-policy.com ab heute in loser Folge.
Kampf um die Weltmärkte
Zu den Sprachrohren, die die Öffentlichkeit schon seit Jahren auf eine härtere Gangart gegen China einstimmen, gehört das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Erst vergangene Woche widmete das Blatt der Agitation gegen die Volksrepublik erneut eine Titelstory ("Die Rivalen - China gegen Deutschland"). Wie die Zeitschrift schreibt, sei der Handel mit China zwar "der wichtigste Treibsatz für das aktuelle deutsche Konjunkturwunder"; zudem trügen "chinesische Unternehmen und Konsumenten dazu bei, dass Deutschlands Wirtschaft aktuell in nahezu fernöstlichen Dimensionen" wachse. Auch vom staatlichen Konjunkturprogramm der Regierung in Beijing (Umfang: 400 Milliarden Euro) "profitierten deutsche Unternehmen besonders", räumt "Der Spiegel" ein.[1] Allerdings wachse gleichzeitig "die Abhängigkeit vom Fernostgeschäft"; außerdem entwickle sich "Pekings gelenkte Industrie (...) zum gefährlichen Rivalen". "Könnte es sein", fragt das Magazin, "dass sich die vermeintlich so lukrative China-Connection in ein paar Jahren als Pakt mit dem Teufel entpuppt?"
"Konkubinenwirtschaft"
Wie "Der Spiegel" berichtet, holt die chinesische Industrie vor allem in den für die deutsche Wirtschaft strategisch wichtigen Bereichen des Werkzeug-, Maschinen- und Anlagenbaus auf, die bislang deutschen Unternehmen auch in China große Absätze bescherten. Zudem verweist das Blatt auf die in China unumgänglichen gemischt-nationalen Joint-Ventures, die seit je der deutschen Wirtschaft ein Dorn im Auge sind: Während deutsche Firmen in anderen Staaten in ihren Fabriken ganz nach Belieben operieren können, sind sie in der Volksrepublik strikt zur Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern verpflichtet. "VW, Daimler und BMW bauen neue Fabriken, wollen ihre Produktion in China mindestens verdoppeln" [2], schreibt "Der Spiegel"; doch es entstünden dabei in der Praxis "Fabriken von Gemeinschaftsunternehmen, an denen neben den deutschen Herstellern stets ein chinesisches Unternehmen Anteile hält." Das Blatt diffamiert die chinesische Beteiligung als "Konkubinenwirtschaft".
Der Fall Transrapid
Schließlich verweist das Nachrichtenmagazin auf die deutlich verbesserte Fähigkeit Chinas, selbst Hochtechnologie zu entwickeln und herzustellen - und damit in Konkurrenz auch zu deutschen Vorzeigebranchen zu treten. Als Beispiel nennt das Blatt den Transrapid. Die deutsche Magnetschwebebahn galt lange als Paradebeispiel einer ebenso teuren wie sinnlosen Fehlentwicklung, bis sie in der Volksrepublik im Jahr 2002 auf einer 31 Kilometer langen Verbindungsstrecke zwischen Shanghai und dem vorgelagerten Flughafen Pudong errichtet wurde. Schnell stiegen die Erwartungen des ThyssenKrupp-Konzerns, ganz China mit der Magnetschwebetechnik beliefern zu können. Weitergehende Verträge kamen allerdings bis heute nicht zustande. Wie "Der Spiegel" berichtet, präsentierten chinesische Firmen schon vor drei Jahren einen eigenen Magnetschwebezug, dem inzwischen weitere verbesserte Modelle folgten: "Einige sollen über 500 Stundenkilometer schnell sein (das deutsche Modell erreicht nur 400, d. Red.) und um mehr als 30 Prozent billiger sein als die deutsche Technik."[3] "Der Spiegel" spekuliert über angeblichen "Technologieklau", muss aber einräumen, über keinerlei Beweise dafür zu verfügen.
"Gelbe Spione"
Den gezielt gestreuten Verdacht, China betreibe "Technologieklau", nutzte "Der Spiegel" bereits 2007, um in Deutschland lebende Chinesen unter Generalverdacht zu stellen. "Die Gelben Spione - wie China deutsche Technologie ausspäht" hieß es damals auf dem Titelblatt.[4] Demnach sei ein "Spitzel-Heer" der Geheimdienste Chinas auf der Jagd nach deutschem Know-how, um die eigene Wirtschaft - nach einem angeblichen "Masterplan 863", "der die Aufholjagd befiehlt" [5] - bis zum Jahr 2020 auf den ersten Platz in der Weltwirtschaft zu hieven. Wie die Zeitschrift damals behauptete, seien angebliche Hackerangriffe chinesischer Geheimdienste auf die Bundesregierung "eine schwere Enttäuschung" für Berlin und träfen gerade angesichts deutscher Milliardeninvestitionen in China "umso härter". Beijing ziele darauf ab, behauptete "Der Spiegel", deutsche Fertigungstechniken komplett zu übernehmen.
Studenten als "Waffe"
Dabei verfüge China, hieß es weiter, über eine besondere "Waffe", die sich von der üblichen "traditionellen Wirtschaftsspionage, wie Russen und Amerikaner sie betreiben", unterscheide: "Das Heer der Chinesen im Ausland, die in Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten, zum Teil in leitender Stellung". Dem Nachrichtenmagazin zufolge könnten "Chinas Dienste (...) auf das größte informelle Spionagenetz der Welt zurückgreifen: 800.000 Spitzel."[6] Der angebliche Grund: "Jeder Student, der ins Ausland gehen darf, steht in der Schuld der Partei". Die "gelbe Gefahr" - "Der Spiegel" verwies insbesondere auf die rund 27.000 chinesischen Studenten in Deutschland - komme ganz harmlos daher: "Neugierig, eifrig, vielseitig interessiert auch in deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten arbeiten Tausende Chinesen, die mit diesen Eigenschaften perfekte Forscher oder perfekte Spione sein könnten - vielleicht auch beides."
Am Wendepunkt
Aktuell fordert "Der Spiegel", der 2007 mit seinem rassistisch begründeten Generalverdacht den Boden für künftige antichinesische Kampagnen bereitete, ein Umdenken in den deutschen Wirtschaftsetagen: "30 Jahre nach Beginn der chinesischen Reformpolitik" stehe "das deutsche China-Engagement an einem Wendepunkt".[7] Die Praxis, sich der Führung in Beijing um guter Geschäfte willen anzubiedern ("Panda-Schmuser"), müsse ein Ende finden, wenn die deutsche Wirtschaft nicht ausgebootet und "auf ein paar Nischenmärkte in Nordeuropa" zurückgedrängt werden wolle. "Künftig stehen die Deutschen in China vor einer ganz neuen Herausforderung", erklärt "Der Spiegel": "Sie müssen lernen, schon aus Eigeninteresse auch mal Nein zu sagen." Ohne einen näheren Kommentar druckt das Blatt ein Zitat aus der "Hunnenrede" Kaiser Wilhelms des Zweiten ab, mit der dieser im Jahr 1900 ein deutsches Expeditionskorps zum Kolonialkrieg nach China entsandte: "Kein Chinese soll es mehr wagen, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen".
Kein Konsens
In Wirtschaftskreisen trifft die Forderung, offensiver gegen China vorzugehen, oft nicht auf Zustimmung. "Wir können auf diesen riesigen Wachstumsmarkt entweder verzichten, oder wir unterwerfen uns den chinesischen Bedingungen", zitiert selbst "Der Spiegel" einen nicht näher bezeichneten deutschen "Autoboss".[8] Über abweichende Vorstellungen in solchen Kreisen von einer deutschen China-Strategie berichtet german-foreign-policy.com in den kommenden Wochen in loser Folge. |
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