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Ein schwarzes Kapitel der Katholischen Kirche Fortlaufende Berichterstattung zu den Missbrauchsskandalen in der Katholischen Kirche SWR/KNA (Katholische Nachrichten Agentur) 27.09.2002
Im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester werden der Kirche Vertuschung und Machtmissbrauch vorgeworfen. Was in diesem Zusammenhang nach und nach ans Licht der Öffentlichkeit kommt, zeigt, wie die katholische Kirche in verantwortungsloser Weise mit Straftätern umgegangen ist.
Begonnen hat die Aufdeckung des Skandals um den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester in den USA. Dort gab am 9. Januar 2002 der Kardinal-Erzbischof von Boston, Bernard Francis Law, neue kirchliche Bestimmungen bekannt. Er ordnete an, dass die Diözesen in Zukunft dazu verpflichtet sind, Verdachtsfälle von sexuellem Missbrauch staatlichen Behörden zu melden. Der Vatikan forderte seinerseits, dass Bischöfe Berichte von Kindesmissbrauch direkt an Rom weiterleiten müssten . Am 15. Juni 2002 hat die katholische Bischofskonferenz der USA bei ihrer Vollversammlung in Dallas strenge Richtlinien für den Umgang mit Priestern beschlossen. Danach darf ein des Missbrauchs überführter Geistlicher nie mehr als Priester arbeiten. Er kann auch aus dem Klerikerstand entfernt werden. Alle Anschuldigungen müssen zudem den staatlichen Behörden gemeldet werden.
Den Stein ins Rollen brachte der Prozess gegen den Priester John Geoghan. Dieser soll mehr als hundert Kinder missbraucht haben. Derzeit verbüßt er eine zehnjährige Freiheitsstrafe wegen sexuellen Missbrauchs eines Zehnjährigen. Besonders pikant ist der Fall, weil der Bostoner Bernard Kardinal Francis Law von den sexuellen Übergriffen Geoghans wusste. Er versetzte ihn jahrelang von einer Gemeinde in die nächste, um ihn vor strafrechtlicher Verfolgung und die Diözese vor schlechter Presse zu schützen. Dieser Fall ist symptomatisch. Der Skandal hat auch in Deutschland das Thema Kindesmissbrauch durch Priester in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Es zeigt sich, dass Verschleierung und Vertuschung auch in Deutschland stattfand. Zwar ist Kindesmissbrauch kein katholisches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen. Doch die Kirche als Hüterin von Moral und Nächstenliebe gerät in besondere Erklärungsnot. Sie müsste stellvertretend für die Gesellschaft "vorbildlich" mit dem Problem umgehen.
Der Papst rief Ende April 2002 die amerikanischen Kardinäle und den Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz, Bischof Wilton Gregory, nach Rom. Dort stellte der Papst Maßstäbe für den Umgang mit Priestern, die sich an Kindern sexuell vergangen hatten, auf. Der Ständige Rat der Bischofskonferenz in Deutschland tagte im April 2002 kurz nach den Beratungen im Vatikan. Die deutschen Bischöfe konnten sich nicht auf ein einheitliches und allgemeinverbindliches Regelsystem einigen. Es sei stattdessen Sache der einzelnen Bistümer, Verdachtsfällen nachzugehen, so die Bischöfe. Jede Diözese müsse über ihre Vorgehensweise selbst entscheiden können.
Noch Ende Juni 2002 sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz Karl Kardinal Lehmann, es werde "keine Skandalwelle" wie in den USA geben: den "Schuh der Amerikaner" müsse man sich in Deutschland nicht anziehen. Doch bereits kurze Zeit später wurden Fälle sexueller Übergriffe von Priestern in Deutschland bekannt. Ende Juli 2002 ging Lehmann in die Offensive. In einem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kündigte er an, dass er ein energisches und gemeinsames Vorgehen der Bischöfe gegen den sexuellen Missbrauch durch Priester anstrebe. Anfang August 2002 entschieden sich die meisten der 27 Diözesen in Deutschland dafür, nationale Richtlinien für die Regelung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester aufzustellen.
Allerdings gaben die meisten Bistümer dem SWR erst auf wiederholte Nachfrage hin aktuelle Informationen. Von den 27 deutschen Bistümern blieben nach eigenen Angaben bislang nur sechs - nämlich Berlin, Magdeburg, Eichstätt, Görlitz, Passau und Erfurt - von Fällen sexuellen Missbrauchs verschont. Das Bistum Dresden-Meißen verweigerte jede Information, weil "wir uns mit der Weise der gegenwärtigen Behandlung dieses sensiblen Themas in den Medien nicht einverstanden erklären können." Auch das innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz mit der Vorlage einer Expertise beauftragten Bistum Fulda beantwortete die vorgelegten Fragen nicht. Man warte "auf die Absprache aller Bistümer im Rahmen der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda." Die Bistümer Münster, Augsburg, Dresden-Meißen, Bamberg ("Die Zahl der Fälle in den letzten Jahrzehnten ist uns nicht bekannt.") sowie Freiburg verweigerten konkrete Angaben oder verwiesen allgemein gehalten auf "einige wenige Fälle." Nur in ganz wenigen Ausnahmen (unter anderem in Essen, Hildesheim, Stuttgart-Rottenburg) existieren schon heute konkrete Regelungen bzw. Regel-Entwürfe, wie mit aufgedeckten Fällen sexuellen Missbrauchs umzugehen sei. Der SWR-Film "Tatort Kirche", der am 1. September ausgestrahlt wird, zeigt Hildesheim und Rottenburg-Stuttgart als bislang einzige Diözesen, die offen mit dem Thema sexueller Missbrauch umgehen.
Anonym gefilmt, weil der Wiederholungs-Täter erstmals über seine Vergehen spricht, bestätigt er: "Meine stärkste Erfahrung war, dass die Kirche den Mantel der christlichen Nächstenliebe über meine Taten gedeckt hat".
Nun werden wohl verbindliche Regeln für den Umgang mit Missbrauchsfällen eingeführt. Das Leid der Opfer und ihrer Familien soll in den Vordergrund rücken, Not-Telefone werden eingerichtet, Fehler werden eingeräumt. Die Generalvikariate waren in vielen Fällen über den sexuellen Missbrauch unterrichtet. Doch sie behielten ihre Informationen für sich. Einer breiten Öffentlichkeit wurden die Fälle meist erst bekannt, wenn sie strafrechtliche Konsequenzen für den Täter hatten.
Die aktuelle Diskussion zwingt die Kirche zu einem transparenteren Vorgehen. Was die Aufklärung sexueller Vergehen betrifft, ist die deutsche Kirche im Vergleich zu anderen Ländern Schlusslicht. Doch auch weltweit hat es bislang nur wenige zivile Strafverfahren gegen Priester gegeben. Meistens wurden die Fälle innerkirchlich geregelt, um Aufsehen zu vermeiden.
Nach Schätzungen von Experten sind 200 - 300 der 18.000 katholischen Priester in Deutschland sexuell auf Kinder beziehungsweise auf Jugendliche fixiert. Gegen 13 Priester laufen derzeit in der Bundesrepublik Deutschland Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs. Am 27.09.2002 hat die deutsche katholische Bischofskonferenz in Fulda Richtlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche verabschiedet. Die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) hat den vom Konferenz-Vorsitzenden Kardinal Karl Lehmann vorgestellten Text im Wortlaut veröffentlicht:
Leitlinien der Katholischen Bischofskonferenz zum Umgang mit Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch
update: Am 13.12.2002 ist der Erzbischof von Boston, der oben erwähnte amerikanische Kardinal Bernhard Law, im Zuge des Skandals um sexuellen Kindesmissbrauch durch Priester zurückgetreten. Der 71-jährige Kardinal soll in seiner eigenen Diözese viele Jahre lang Kindesmissbrauch durch Priester vertuscht haben. Law, der bislang ranghöchste katholische Geistliche der aus seinem Amt ausscheidet, bat um Verzeihung für seine "Versäumnisse und Fehler".
update 01.07.2003: Papst Johannes Paul II. hat am Dienstag einen neuen Erzbischof für die Diözese Boston ernannt, die im vergangenen Jahr vom Skandal um sexuelle Gewalt gegen Kinder erschüttert wurde. Nachfolger des vor einem halben Jahr zurückgetretenen Kardinals Bernard Law ist Bischof Sean Patrick O'Malley. Der 59-jährige Bischof von Fall River in Massachusetts ist bekannt für sein harte Haltung in der Affäre.
«Es gibt niemanden in diesem Land, der diese Arbeit besser machen und wirkliches Heil in die Erzdiözese Boston bringen könnte», erklärte der Anwalt Rick MacLeish. Er vertritt 101 Kinder, die von einem Priester in Massachusetts sexuell belästigt wurden. Zudem führt er mit anderen Anwälten eine Sammelklage gegen die Erzdiözese.
Die Vereinigung der von Priestern Missbrauchten erklärte, sie freue sich auf eine Zusammenarbeit mit O'Malley. Jedoch könne keine einzelne Person die Schmerzen rückgängig machen, die die Erzdiözese erfahren habe.
Gegen die Diözese Boston sind rund 500 Klagen anhängig, in denen Kirchenvertreter beschuldigt werden, wegen Missbrauchs bekannte Priester lediglich in andere Pfarreien versetzt zu haben. Kardinal Law hatte Priester weiterhin als Seelsorger behalten, obwohl sie Kinder sexuell belästigt hatten. Er war der höchste Kirchenvertreter, der in den Skandal verwickelt war.
O'Malley erhielt landesweit Aufmerksamkeit, als er in den 90er Jahren in den von ihm bisher geführten Diözesen Fall River und Palm Beach bei sexuellem Missbrauch durch Priester mit harten Konsequenzen durchgriff.
update 24. August 2003: Nach Angaben der Justizbehörden wurde der 67 Jahre alte pädophile Ex-Geistliche John Geoghan in einer Strafanstalt in der Nähe von Boston von einem Mithäftling erwürgt. Geoghan wurde im Januar 2002 wegen sexuellen Kindesmissbrauchs zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Fall Geoghan hatte den Missbrauchs-Skandal in der Bostoner Erzdiözese und anschließend in der gesamten katholischen Kirche in den USA ausgelöst.
update 29.05.2004: Der zurückgetretene ehemalige Erzbischof von Boston, Bernard Francis Law, ist nach Rom versetzt worden. Papst Johannes Paul II hat Law zum neuen Erzpriester der römischen Basilika Santa Maria Maggiore ernannt.
update 04. Januar 2005: Kalifornische Diözese zahlt 100 Millionen an Missbrauchsopfer
Die katholische Diözese Orange im US-Bundesstaat Kalifornien hat sich zur Zahlung von 100 Millionen Dollar an Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche bereit erklärt. Die Entschädigung ist die höchste Summe, die in einem derartigen Verfahren in den USA je gezahlt wurde. Mit der Einigung werden 90 Klagen gegen 31 Priester, einen Mönch, zwei Nonnen und zehn weitere Kirchenmitarbeiter beigelegt. Die ältesten Vorwürfe reichen zurück bis ins Jahr 1936, die jüngsten stammen aus dem Jahre 1996.
Den vollständigen Artikel von SPIEGEL-ONLINE vom 04.01.2005 gibt es hier.
update 14.11.2006: Bundestagsanhörung zu misshandelten Heimkindern
Zwischen 1945 und 1975 wurden Hunderttausende Kinder und Jugendliche oft aus nichtigen Gründen vom Staat in rund 3000 Heime Westdeutschlands eingewiesen und meist von kirchlichem Personal beaufsichtigt - und häufig genug misshandelt. Wir hatten darüber anlässlich der Vorstellung des Buches "Schläge im Namen des Herrn" von Peter Wensierski berichtet. Am 11. Dezember soll die politische und juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in deutschen Erziehungsheimen mit einer Anhörung ehemaliger Heimkinder im Bundestag am 11. Dezember beginnen
"Viele Betroffene leiden noch heute unter den Folgen der Geschehnisse in den Heimen", beklagt der dazu eingeladene Sprecher des Vereins ehemaliger Heimkinder, Michael-Peter Schiltsky: "Sie mussten folterähnliche Bestrafungen hinnehmen, harte, industrielle Arbeit ohne Bezahlung und ohne Rentenansprüche ableisten, sie bekamen ungefragt Psychopharmaka, viele wurden über Jahre sexuell missbraucht."
Quelle: SPIEGEL-ONLINE vom 13.11.2006
update 19.11.2006: Vatikan gibt Studie über die Gründe für sexuellen Missbrauch in Auftrag
Nachdem zwischenzeitlich die vierte Diözese in den USA wegen der Entschädigungszahlungen an Missbrauchsopfer katholischer Priester pleite ist, sieht die Kirche weiteren Handlungsbedarf.
DieUS-Bischöfe wollen bei ihre Vollversammlung Mitte November in Baltimoreüber die Bereitstellung von Finanzen für ein Projekt zur Erforschungdes sexuellen Missbrauchs durch Kleriker beschließen. Durchgeführtwerden soll die Studie vom John Jay College of Criminal Justice an derUniversität in New York. Im Jahre 2009 sollen die Ergebnissevorgestellt werden. Letztes Jahr hatte die Bischofskonferenz dafüroptiert, insgesamt drei Millionen US-Dollar auszugeben, um dem Phänomenauf den Grund zu gehen. Mittlerweile sind vier Diözesen in den USAwegen Schadensersatzforderungen von Missbrauchsopfern zahlungsunfähig.
Quelle: Radio Vatikan vom 29.10.2006
update 22.11.2006: Diözese Fort Worth zahlt Entschädigung an Missbrauchsopfer
Die Diözese in Forth Worth, Texas zahl an elf Ministranten Entschädigungen in unbekannter Höhe. Mit den Missbrauchsopfern wurde -auch über die Höhe der Zahlungen- Stillschweigen vereinbart.
Quelle: Pressemitteilung der Erzdiözese Fort Worth/Texas
update 01.12.2006: Erzbistum Los Angeles zahlt $ 60 Millionen an Missbrauchsopfer
Das Erzbistum Los Angeles wird Opfern sexuellen Missbrauchs durch pädophile Priester 60 Millionen Dollar Entschädigung zahlen. Das berichtet die «Los Angeles Times». Demnach sollen mit der Zahlung 45 Klagen von Betroffenen außergerichtlich beigelegt werden. Der Erzbischof von Los Angeles, Kardinal Roger Mahoney, sprach von einer «größeren Bemühung zur Heilung und Versöhnung». Die Opfer machten geltend, dass die Kirche pädophile Geistliche trotz massiver Vorwürfe geschützt hatte.
Quelle: yahoo, Mitteilung der Erzdiözese von Los Angeles
update 01.03.2007: Bistum San Diego zahlungsunfähig
Das katholische Bistum im kalifornischen San Diego sieht sich 150 Klagen wegen sexuellen Missbrauchs gegenüber und meldete Insolvenz an. Die Forderungen der Kläger überstiegen die finanziellen Möglichkeiten des Bistums und seiner Versicherungen, so Bischof Robert Brom.
Quelle: Die Welt, 01. März 2007
update 17.07.2007: Katholische Kirche zahlt mehr als eine halbe Milliarde Dollar an Missbrauchsopfer
Mehr als eine halbe Milliarde Dollar Schadenersatz ist selbst für die größte katholische Diözese in den Vereinigten Staaten finanziell nur schwer zu verkraften. Ohne die Veräußerung von gut vier Dutzend Liegenschaften, darunter das Verwaltungsgebäude der Erzdiözese am Wilshire Boulevard in Los Angeles, und ohne zusätzliche Kreditaufnahme wird es also nicht gelingen, die insgesamt 660 Millionen Dollar aufzubringen, mit denen die Diözese im Süden Kaliforniens den Missbrauch von 508 Jungen und Mädchen durch katholische Priester in den vergangenen Jahrzehnten zu entschädigen versucht.
[ ...] Insgesamt hat die Katholische Kirche in den Vereinigten Staaten seit Beginn der Prozesswelle wegen der Missbrauchsfälle vor zwei Jahrzehnten der Zahlung von mehr als zwei Milliarden Dollar Schadenersatz zugestimmt. Fünf Diözesen in den Bundesstaaten Arizona, Kalifornien, Iowa, Oregon und Washington mussten deswegen Bankrottverfahren mit Schutz vor Gläubigerforderungen einleiten.
[ ...] Nach einer von der Katholischen Kirche in den Vereinigten Staaten selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung, deren Ergebnisse im Februar 2004 veröffentlicht wurden, haben sich in den vergangenen 50 Jahren mehr als 4000 amerikanische Priester an gut 10.000 Kindern vergangen. Die Opfer waren in der Mehrzahl Jungen.
Gegenstand des Vergleichs von Los Angeles sowie ähnlicher Vereinbarungen in anderen amerikanischen Diözesen ist auch die Offenlegung vertraulicher Akten der Kirche über beschuldigte Priester. Jeder weiß, dass ein Verbrechen solchen Ausmaßes den Bischöfen und Kardinälen nicht entgangen sein kann - weder in den Vereinigten Staaten noch anderswo auf der Welt, wo die „Aufarbeitung“ dieser dunklen Vergangenheit und Gegenwart der Römisch-Katholischen Kirche (noch?) nicht so offen geführt wird wie in Amerika.
mehr: FAZ.net vom 17.07.2007
update 14.03.2008: Ein weiterer Fall des Pädo-Recyclings in der Kirche:
Drei Jahre Haft für Ex-Pfarrer - Rüge für Bistum Drei Jahre Haft in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie: So lautet das Urteil des Landgerichts Regensburg gegen den ehemaligen Pfarrer von Riekofen. Der Geistliche hatte gestanden, sich 22-mal an einem Ministranten vergangen zu haben. Zugleich machte der Richter dem Bistum Regensburg schwere Vorwürfe.
Mit ihrem Urteil folgte die Jugendschutzkammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Statt im Gefängnis muss der Ex-Pfarrer die dreijährige Haftstrafe in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie verbüßen. Der zuständige Gutachter legte indes dar, dass drei Jahre zur Therapie nach Lage der Dinge kaum ausreichen dürften und der Geistliche vermutlich länger in der forensischen Klinik bleiben werde. Der Angeklagte war bereits einschlägig vorbestraft und hatte vor Gericht ein volles Geständnis abgelegt. Dadurch ging der Prozess innerhalb eines Tages über die Bühne. Die Verteidigung hatte auf zweieinhalb Jahre Haft plädiert.
Die Rolle des Bistums Regensburg, das bereits zuvor wegen der Weiterbeschäftigung des Geistlichen in der Kritik stand, erschien nicht nur durch eine Zeugenaussage erneut in schlechtem Licht. Explizit rügte der Vorsitzende Richter Karl Iglhaut das Verhalten des Ordinariats. Dadurch, dass es den einschlägig vorbestraften Mann noch während seiner Bewährungszeit mit der kirchlichen Seelsorge betraut habe, habe man ihn regelrecht in Versuchung geführt. Der Richter wörtlich: "Eine Bank stellt keinen Mann als Kassier an, der wegen Untreue vorbestraft ist."
Nicht voll schuldfähig Der heute 40-jährige Angeklagte verging sich im oberpfälzischen Riekofen den Ermittlungen zufolge erstmals Ende 2003/Anfang 2004 an dem damals elf Jahre alten Ministranten - und danach innerhalb von zweieinhalb Jahren noch 22-mal. Ein Sachverständiger erklärte vor Gericht, der Pfarrer leide eindeutig unter homosexueller Pädophilie und sei wegen einer Persönlichkeitsstörung nur eingeschränkt schuldfähig. Der Ärztliche Direktor der Straubinger Forensik, Bernd Ottermann, sagte aus, ohne Therapie seien von dem Mann weitere Straftaten zu erwarten.
Bistum informierte nur lückenhaft Eine Kriminalpolizistin sagte aus, dass der Priester bereits 2001 die "komplette seelsorgerische Arbeit" übernommen hatte, obwohl er noch nicht wieder mit Kindern und Jugendlichen hätte arbeiten dürfen. Der Angeklagte war bereits im Jahr 2000 wegen sexuellem Missbrauch zu einer Bewährungsstrafe bis 2003 verurteilt worden. Dennoch war er bereits ab 2000 in der Gemeindearbeit von Riekofen tätig und machte zahlreiche Fahrten mit Messdienern.
Das Bistum hatte bislang erklärt, dass der Mann erst ab 2004 nach einer Therapie in Riekofen eingesetzt worden sei. Zuvor sei er Kaplan in einem Altenheim gewesen. Aus der Personalakte des Pfarrers, die von der Polizei beschlagnahmt worden war, geht jedoch hervor, dass die Diözesanleitung zu jeder Zeit über die Arbeit des vorbestraften Priesters in Riekofen Bescheid wusste.
mehr: br-online vom 14.03.2008
Audiodatei: Andrew Vachss zu den Missbrauchsskandalen in der Katholischen Kirche Zu den Besonderheiten des Umgangs mit sexuellem Missbrauchs in der katholischen Kirche präsentieren wir einen kleinen Ausschnitt aus einer Diskussion mit Andrew Vachss, der sich zum "Recycling" überführter Priester in der Kirche äußert: Unstreitig des Kindesmissbrauchs schuldige Priester erfahren Therapie innerhalb der Kirche, die Kirche entscheidet, dass die Therapie erfolgreich ist und sendet den Priester in eine neue Gemeinde - ohne diese über die Vorfälle zu informieren. Audio-Datei im mp3-Format:
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