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[政治] "Krieg"

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发表于 2009-11-15 19:44 | 显示全部楼层 |阅读模式
http://www.zeit.de/2009/47/Kriegsbegriff


Afghanistan"Krieg"Der Verteidigungsminister hat das K-Wort ausgesprochen, Soldaten und Pazifisten sind begeistert – ohne die Folgen zu bedenken
© Michael Kappeler/dpa
"KriegsähnlicheZustände": Verteidigungsminister zu Guttenberg im afghanischenMasar-i-Scharif vor der Gedenkstätte für die im Einsatz gefallenenBundeswehr-Soldaten. Neben ihm der Kommandeur des RegionalkommandosNord, Jürgen Setzer (l.), und Generalinspekteuer Schneiderhan (r.)

Man muss nur einmal den Alten zuhören, wenn sie vom Krieg erzählen.Den betagten Eltern, den Großeltern, den greisen Tanten. Da bleibenkeine semantischen Zweifel. Krieg, das ist nicht irgendein Feldzug.»Der Krieg« – das ist der Zweite Weltkrieg. Brennende Städte, MillionenTote. Väter, Söhne, Brüder, die nicht mehr nach Hause kamen.
Man kann nicht vom Krieg sprechen in Deutschland, ohne vom ZweitenWeltkrieg zu sprechen. Das war bei den Balkankriegen in den neunzigerJahren so, das ist jetzt wieder so beim Bundeswehreinsatz inAfghanistan. Sogar die juristische Diskussion über eine möglicheAnklage gegen Oberst Klein, der Anfang September einen Luftschlag gegenzwei entführte Tanklaster befohlen hat, wird noch von der Erinnerung anden Zweiten Weltkrieg mitbestimmt. Es ist dieser Krieg, der unsereVerfassung geprägt hat, die selbst in Trümmern entstand und in ihremKern pazifistisch ist, wie das ganze Land seit 1945. Ein Land, daszudem bis 1989 sehr genau wusste, dass jeder neue Krieg in Europa ineiner atomaren Apokalypse enden würde.
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Und diesem Land soll es leichtfallen, wieder vom »Krieg« zu sprechen? Von einem Krieg in Afghanistan?
Der neue Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hates jetzt getan, beinahe jedenfalls. Er hat sich an die Vokabelherangepirscht, gleichsam von der Seite, immer auf dem Sprung zumRückzug. In Teilen Afghanistans gebe es »fraglos kriegsähnlicheZustände«, erklärte Guttenberg, und er könne jeden Soldaten verstehen,»der sagt: In Afghanistan ist Krieg.« Das ist umständlich formuliert,aber doch deutlich weniger verquält als das bürokratische Herumdrucksenseines Vorgängers Franz Josef Jung. Der hatte bis zuletzt daraufbeharrt, das Engagement in Afghanistan sei ein »robusterStabilisierungseinsatz«. Vor acht Jahren war das vielleicht einangemessener Begriff. Heute klingt es nur noch wie eine Verschleierungder Situation, die zusehends bedrohlicher wird für die Truppe, für diezivilen Helfer und vor allem für die Afghanen selbst.
  • Karlsruhe ermittelt
Karlsruhe ermitteltDie Luftangriffe aufzwei von den Taliban entführte Tanklastzüge Anfang September inAfghanistan beschäftigen seit vergangenem Freitag die höchstendeutschen Ermittler. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe prüft, ob derverantwortliche deutsche Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, nachdem Völkerstrafgesetzbuch angeklagt werden soll, das für alle bewaffneten Konflikte gilt.
In insgesamt nur vierzehn Paragrafen stellt das Gesetz Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Kriegsverbrechen unterStrafe. Denkbar wären im Fall des Oberst Klein Ermittlungen nachParagraf 11 Absatz 1 Nummer 3 wegen »verbotener Methoden derKriegsführung«. Danach wird bestraft, wer in einem »bewaffnetenKonflikt ... mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt unddabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen ... in einem Ausmaß verursachen wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten ... militärischen Vorteil steht«.
Wenn Zivilisten zu Tode kommen, ist eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren angedroht. Dass Oberst Klein allerdings tatsächlich angeklagt und verurteilt wird, gilt als unwahrscheinlich

Die Gespenster der Vergangenheit erwachen – und lassen sich einsetzen
Diese Realitätsverweigerung aufzugeben ist fraglos ein Fortschritt.Und doch bleibt bemerkenswert, wie viel Beifall Guttenberg dafürbekommen hat, dass er den Widerstand gegen eine Eskalation der Sprachebeendet hat. Wie erklärt sich die mitunter nur mühsam unterdrückteBegeisterung darüber, dass das K-Wort in das politische VokabularBerlins zurückgekehrt ist – eine Begeisterung, die Linke undKonservative, Soldatenverbände und Kriegsgegner auf merkwürdige Weisevereint? Wer profitiert davon, wenn wir von Krieg sprechen?
Zunächst natürlich all die, die immer schon einen sofortigen Abzugder deutschen Truppen gefordert haben. Wenn sie nun gewissermaßen mitministerieller Genehmigung den deutschen Einsatz in Afghanistan einenKrieg nennen dürfen, dann können sie politisch all die Schreckenmobilisieren, die mit dem Wort historisch in Deutschland verknüpftsind. Dann können sie den tief verwurzelten Pazifismus aktivieren, dernicht immer leicht von einer bundesrepublikanischen Bequemlichkeit zuunterscheiden ist, sich mit den Konflikten der Welt zu beschäftigen. WoKrieg ist, so wäre die Logik, hat Deutschland nichts zu suchen.
Zum Zweiten profitieren von der Rede vom Krieg paradoxerweisewahrscheinlich vor allem die deutschen Soldaten in Afghanistan. Sieschießen und werden beschossen, sie töten, und manche von ihnensterben. Das ist keine erweiterte Polizeimission mehr, kein bewaffnetesBrunnenbohren, es ist ein Kampf unter Einsatz des Lebens, und das WortKrieg ist die Chiffre dafür, dass dies auch die deutsche Öffentlichkeitlangsam zur Kenntnis zu nehmen beginnt. Der Bundeswehrverband lobte denneuen Minister denn auch dafür, »den Puls der Truppe« zu fühlen. Auchweil er erklärt hatte: »Wir brauchen ein Höchstmaß an Rechtssicherheitfür unsere Soldaten. Da müssen wir uns politisch fragen, ob wir mitunserer Sprache dazu einen Beitrag leisten können.«



Die Antwort auf diese Frage ist nun freilich einfach: Das Wort Kriegleistet keinen Beitrag zur Rechtssicherheit. Juristisch nämlich ändertsich für die Truppe praktisch nichts, nur weil der Minister von Kriegspricht. Krieg ist, von den allgemeinen Geschäftsbedingungen derVersicherungskonzerne einmal abgesehen, die bei Naturkatastrophen,höherer Gewalt und eben bei Krieg zu zahlen sich weigern, keinejuristische Kategorie mehr. Das Grundgesetz kennt sie nicht, es erwähntden Krieg nur beiläufig, und wenn, dann ausdrücklich negativ: alsVerbot, einen Angriffskrieg zu führen, und als Grundrecht, denKriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern.
In einem »bewaffneten Konflikt« ist nicht alles, aber vieles erlaubt
Wo die bundesdeutsche Verfassung überhaupt von militärischenAuseinandersetzungen spricht, heißt das »Verteidigungsfall«. Wird dervom Parlament beschlossen, dann übernimmt der Kanzler den Oberbefehl,dann tritt die Notstandsverfassung in Kraft, und die Bundestagswahlenfallen aus. Träte dieser Fall je ein, könnte man vermutlich mit einigemRecht von Krieg sprechen. Doch das, was in Afghanistan geschieht, istoffenkundig etwas anderes.
Auch im modernen Völkerrecht kommt das Wort Krieg nicht mehr vor. Das Recht, Krieg zu führen, das       ius ad bellum,traditionell Inbegriff staatlicher Souveränität, ist geächtet,spätestens durch die UN-Charta von 1945, die ihrerseits unter demEindruck der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs entstand.Völkerrechtler sprechen heute von »bewaffneten Konflikten«, wenn sievon militärischen Auseinandersetzungen handeln. Das dient nicht derVerharmlosung des mörderischen Schreckens. Es ist vielmehr eineReaktion darauf, dass der klassische Krieg zwischen zwei Staatenabgelöst wurde von unübersichtlicheren Formen des Gemetzels, vonBürgerkriegen, ethnischen Säuberungen, asymmetrischen Konflikten, auchvon humanitären Interventionen der Staatengemeinschaft.
Es ist daher kein Zufall, dass auch die UN-Resolutionen, die denEinsatz in Afghanistan regeln, nirgends den Begriff Krieg verwenden.Dort, in der Resolution 1386 vor allem, ist nur die Rede davon, dassdie beteiligten Staaten »alle erforderlichen Maßnahmen« (»all necessary measures«)       ergreifen dürfen, um die Sicherheit in Afghanistan zu gewährleisten.
Viel wichtiger als Guttenbergs Umgang mit dem K-Wort ist deshalb einanderer Satz des Ministers, der in dem Wirbel um den vermeintlichenTabubruch kaum registriert wurde. Guttenberg sagte am vergangenenFreitag bei der Vorstellung des Nato-Berichts über den Luftangriff aufdie beiden entführten Tanklaster in der Nähe von Kundus, er persönlichgehe davon aus, »dass es sich in Teilen Afghanistans um einennichtinternationalen bewaffneten Konflikt handelt«. Ein»nichtinternationaler bewaffneter Konflikt« – das ist, von dem JuristenGuttenberg präzise formuliert, der komplizierte, aber korrektevölkerrechtliche Begriff für eine innerstaatliche Auseinandersetzung,an der aufseiten der Regierung Truppen aus dem Ausland teilnehmen. Vorallem aber ist diese Wortwahl der entscheidende Schritt von derPolizeimission zum Kampfeinsatz. Und dieser Schritt wird Folgen haben.
Zuallererst und am spürbarsten vermutlich für den Oberst Klein, derden Luftschlag gegen die beiden entführten Tanklastzüge befohlen hat.Wenn er das Bombardement im Rahmen eines »bewaffneten Konflikts«angefordert hat, wie Guttenberg nahelegt, dann ist die Frage, ob sichder Offizier durch den Befehl strafbar gemacht hat, völlig anders zubeurteilen als bislang diskutiert. Dann gilt nicht das zivile deutscheStrafgesetzbuch, das auch für die Entführung eines Lastwagens inBielefeld anzuwenden wäre, dann gilt das wenig bekannteVölkerstrafgesetzbuch, das seit 2002 in Kraft ist. Anders als daszivile Strafrecht sucht es nicht Ordnung zu schaffen in einer halbwegsfriedlichen Gesellschaft, sondern dient dazu, die Zivilbevölkerung beimilitärischen Konflikten zu schützen und die wüstesten Exzesse –Völkermord, Geiselnahmen, Folterungen – zu ahnden. Allerdings kennt dasVölkerstrafgesetzbuch keine fahrlässige Tötung, es stellt alsKriegsverbrechen nur einen militärischen Einsatz unter Strafe, bei demder Befehlshaber »sicher erwartet«, dass unverhältnismäßig vieleZivilisten zu Tode gebracht werden.
Bei allen denkbaren Verstößen gegen die Einsatzregeln – eine bewussteinkalkulierte Tötung von Zivilisten wird man Oberst Klein kaumunterstellen, geschweige denn nachweisen können. Eine Anklage dürfteunwahrscheinlich sein, eine Verurteilung nahezu ausgeschlossen. Kurzum,wenn in Afghanistan ein »bewaffneter Konflikt« herrscht, ist OberstKlein strafrechtlich aus dem Schneider. Wegen einer möglichenMissachtung der rules of engagement       könnte er dann nur disziplinarisch belangt werden.


Ob das Völkerstrafgesetzbuch angewandt wird, hat nicht derVerteidigungsminister zu entscheiden. Das ist Sache derBundesanwaltschaft in Karlsruhe. Sie prüft die Frage seit Freitag.Sollte sie einen »bewaffneten Konflikt« annehmen, also einen Zustand,der über innere Unruhen, gelegentliche Tumulte oder Anschlägehinausgeht – und es fällt schwer, sich eine andere Bewertung der Lagein Afghanistan vorzustellen –, dann hat das weitreichende politischeKonsequenzen. Niemand in Berlin könnte mehr ernsthaft hinter dieseEinschätzung zurück. Und die Republik müsste sich endlich mit derErkenntnis arrangieren, dass Bundeswehrsoldaten im Auftrag desParlaments in einem Einsatz sind, der auch dazu dient, Taliban zutöten. In einem Einsatz, bei dem Zivilisten ums Leben kommen können,ohne dass sogleich die deutsche Staatsanwaltschaft auf den Plan tritt.


Bundeswehrsoldaten in Afghanistan würden fortan nicht immun sein,das sind sie nie. Aber der vom Völkerrecht definierte Rahmen ihresEinsatzes wäre ein anderer als bislang von der Bundesregierungeingeräumt. Darüber zu sprechen, daraus die Konsequenzen zu ziehen, fürdie Einsatzregeln, für die Ausrüstung, für eine andere Betreuung nachder Rückkehr in die Heimat, auch für ein anderes Ausstiegsszenario, dasist dringlicher, als darüber zu spekulieren, wann endlich nun auch dieKanzlerin das Wort Krieg in den Mund nimmt.
Krieg ist der große Zerstörer. Der brutale Gleichmacher. Aber auchdas Wort Krieg verschlingt alle Unterschiede. Es entdifferenziert. Eswalzt jede Nuance nieder. Es hilft nicht weiter. Weder juristisch nochpolitisch. Jetzt ist es ausgesprochen.
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