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http://www.zeit.de/2010/04/Pharmakonzern-Roche
Der Pharmakonzern Roche betreibt umstrittene Studien in China – und soll dafür die Auszeichnung »übelstes Unternehmen des Jahres« bekommen
Der Rahmen der Preisvergabe ist festlich: ein Jugendstilsaal in der Bar Montana am Ortseingang von Davos. Die internationale Presse wird erwartet, außerdem Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Showbizz. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz steht ebenso auf der Rednerliste wie der Ex-Umweltminister Jürgen Trittin. Die Schauspielerin Julia Jentsch aus Deutschland moderiert.
Nur die Geehrten werden wahrscheinlich fehlen, wenn am kommenden Mittwoch vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos die »übelsten Unternehmen des Jahres« ausgezeichnet werden. Seit 2005 werden diese Public Eye Awards ausgelobt, abgeholt werden die Schmähpreise von den Gewinnern nur selten. Die Auszeichnungen werden durch Greenpeace Schweiz und eine Organisation namens Erklärung von Bern vergeben. Diese Erklärung von Bern schrieb in den siebziger Jahren schon einmal Geschichte. Ihre Kampagne mit dem Namen »Nestlé tötet Babys« gilt in der Konsumforschung als Musterbeispiel für die Einflussnahme sozialer Bewegungen auf Konzerne.
In diesem Jahr könnte das Baseler Unternehmen Roche gleich zwei der ungeliebten Preise gewinnen. Der Pharmakonzern ist für den Public Eye Swiss Award nominiert, weil es in China Studien mit Patienten durchführt, die eine Organtransplantation hinter sich haben. Der Vorwurf: Roche betreibe Forschung, ohne zu wissen, woher die Organe gekommen sind.
Selbst die chinesische Regierung hat schon 2005 eingeräumt, dass in China die Mehrzahl transplantierter Organe von hingerichteten Gefangenen stammt. 90 Prozent seien es, meinte Ende 2008 der stellvertretende Gesundheitsministers Huang Jiefu laut der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet . Damit hat Roche gute Chancen, auch noch den Publikumspreis des Public Eye zu gewinnen. Bei der Abstimmung im Internet lag das Unternehmen bei Redaktionsschluss deutlich vor den Nächstplatzierten: der Schweizer PR-Firma Farner, die eine Nichtregierungsorganisation bespitzelte, sowie der Royal Bank of Canada, die den umweltschädlichen Abbau von Öl aus Teersand im kanadischen Alberta mitfinanziert.
10.000 Transplantationen jährlich machen China zum attraktiven Markt
China ist nach den USA der zweitgrößte Markt weltweit für Transplantationen. In den USA wurden 2008 nach Angaben des United Network for Organ Sharing knapp 28.000 Organe verpflanzt, in China sind es rund 10.000 jährlich, 2004 waren es sogar 13.000. Der Markt ist somit äußerst attraktiv für Pharmafirmen – und auch Roche profitiert. Seit 1997 vertreibt der Konzern sein Medikament Cellcept, das Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen unterdrücken soll. Angaben zum Umsatz des Medikaments macht die Firma nicht. Nach den jüngsten verfügbaren Daten setzte Roche in China 2008 allerdings insgesamt 578 Millionen Franken um, wobei Cellcept zu den einträglichsten Präparaten zählte. Als der Umsatz mit dem Mittel in den USA 2009 einbrach, weil der Patentschutz auslief, teilte Roche überdies mit, die starken Einbußen würden "durch anhaltend solides Wachstum in anderen Märkten, vor allem in Lateinamerika und China, teilweise ausgeglichen".
Cellcept wird mittlerweile sogar in China selbst hergestellt. Ende 2005 eröffnete Roche in Shanghai eine eigene Produktionsstätte mit 1300 Mitarbeitern. Dass Organe in China auf ethisch fragwürdige Weise entnommen werden, kümmerte den damaligen Chef des Unternehmens, Franz Humer, nicht. "Wir haben volles Vertrauen in dieses großartige Land", sagte er laut einem Bericht der Wirtschaftswoche während der Einweihungsfeier. Cellcept werde nunmehr in China produziert, weil es dort, anders als in Japan, keine ethischen oder kulturellen Hemmungen gegenüber der Transplantationsmedizin gebe, erklärte Humer weiter.
Eher ist wohl das Gegenteil richtig. Nach dem konfuzianischen Ideal sollen tote Körper unversehrt bleiben. Selbst der in der westlichen Welt als Voraussetzung für eine Organentnahme weithin anerkannte Hirntod reicht in China nicht aus. Deshalb konnte sich die Transplantationsmedizin in China nur entwickeln, weil massiv die Organe Hingerichteter genutzt werden.
Neben dem Vertrieb von Cellcept profitiert Roche auch durch seine Studien von den fragwürdigen Umständen der Transplantationsmedizin in China. Die erste wurde im Jahr 2006 mit 36 Patienten mit Herztransplantat durchgeführt. Derzeit werden für zwei weitere Forschungsvorhaben rund 300 Patienten rekrutiert, die eine Leber oder eine Niere bekommen haben. Es handelt sich um sogenannte Phase-IV-Studien. Laut Roche sollen sie dabei helfen, bei chinesischen Patienten die beste Dosierung für Cellcept zu finden. Warum die nach mehr als zehn Jahren der Anwendung des Medikaments in China noch nicht bekannt sein soll, bleibt das Geheimnis von Roche.
Tatsächlich dienen Phase-IV-Studien häufig auch dem Marketing, weil sie Kontakte zu Kliniken verschaffen. Laut der Studien-Datenbank von Roche werden Kliniken in elf Städten an den Studien beteiligt: in Shanghai, Zhejiang, Nanjing, Fuzhou, Peking, Guangzhou, Chengdu, Changsha, Chongquing, Jiangsu und Xian City.
Es sei höchst wahrscheinlich, dass in die Roche-Studien auch Patienten einbezogen würden, die Organe hingerichteter Gefangener transplantiert bekommen haben, begründet Public Eye die Nominierung von Roche. Solange die Firma nicht nachweisen könne, dass dies nicht der Fall sei, handele es sich bei den Studien um »unverantwortliches Konzernverhalten«.
In keinem Land der Welt werden Verurteilte häufiger hingerichtet als in China. Die Todesstrafe kann für 68 Delikte ausgesprochen werden. Amnesty kommt für das Jahr 2008 auf mindestens 1718 Exekutionen, wobei die Dunkelziffer erheblich höher sein dürfte. Und jedem Toten können mehrere Organe entnommen werden.
Bereits bei einer Konferenz im Jahr 2005 äußerte der Rechtsprofessor Qu Xinjiu laut Spiegel Online die Befürchtung, dass Gesundheitsbehörden Gerichte "verführen, locken oder beeinflussen" könnten, "lax" zu urteilen. Das sollte auch heißen: Der Organbedarf könnte die Zahl der Hinrichtungen befördern.
Die Tatsache, dass Organe in China leicht verfügbar sind, hat das Land auch zu einem Zentrum des internationalen Organhandels gemacht. Für chinesische Kliniken ist das eine gute Möglichkeit, den eigenen Etat aufzubessern. Erst 2007 verabschiedete die chinesische Regierung eine Bestimmung, die Organtourismus unterbinden soll. Allerdings erlaubt das Gesetz zur Organtransplantation von 2007 weiterhin, dass Organe von Gefangenen transplantiert werden, sofern diese oder ihre Angehörigen zugestimmt haben.
Public-Eye-Sprecher Oliver Classen hält das für Augenwischerei: "Von einem freiwilligen Einverständnis kann bei Gefangenen keine Rede sein." Roche hingegen beruft sich auf Anfrage darauf, dass die gesetzlichen Bestimmungen in China sowie die Standards der Weltgesundheitsorganisation eingehalten würden. Roche sei zudem "weder in China noch in einem andern Land der Welt für die Beschaffung von Organen zuständig". Anonymität und Vertraulichkeit von Spenderdaten seien rechtlich geschützt. "Roche hat weder in China noch in einem anderen Land einen Anspruch zu erfahren, woher oder von welchen Spendern die transplantierten Organe stammen."
Internationale Verbände haben sich von Chinas Praktiken distanziert
Public Eye hält das für eine Schutzbehauptung. Die Herkunft von Organen zurückzuverfolgen erfordere auch nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation WHO nicht, dass die Anonymität der Spender verletzt und ihre Namen preisgegeben würden. Falls in konkreten Verdachtsfällen tatsächlich eine Aufhebung der Anonymität erforderlich wäre, könnte dies durch unabhängige Institutionen geschehen, die dem Datenschutz verpflichtet sind.
Die Organisation stützt sich auf die Prinzipien zahlreicher internationaler Dachverbände von Medizinern. So haben sich die Transplantation Society und die World Medical Association von den fragwürdigen Transplantationspraktiken in China distanziert und ihre eigene Position in Ethik-Richtlinien dargelegt. Laut der World Medical Association beruht die freiwillige Einwilligung in die Organspende auf der Abwesenheit von Zwang. "Weil Gefangene und andere Personen unter Bewachung nicht in der Lage sind, freiwillig zuzustimmen, und Zwang unterliegen können, dürfen ihre Organe nicht genutzt werden, außer für Mitglieder der eigenen Familie."
Die Transplantation Society, ein Dachverband der Transplantationsmedizin, äußert sich dezidiert auch zu Forschungsprojekten mit China: "Eine Zusammenarbeit im Rahmen klinischer Studien sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn die Studie ... die ethischen Grundsätze der Transplantation Society nicht verletzt, etwa indem Empfänger von Organen und Geweben hingerichteter Gefangener einbezogen werden."
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罗氏(Roche)公司,全称Hoffmann-La Roche有限责任公司,是一家总部位于瑞士巴塞尔的跨国医药研发生产商。它始创于1896年,业务今已遍布世界150多个国家,共拥有65,000多名员工。罗氏在2008年世界500强中排名制药公司中的第4位。目前为止,罗氏的各地研究室共获得三个诺贝尔奖。
参见:http://zh.wikipedia.org/wiki/罗氏 |
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