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Helmut Schümann
4.2.2009 0:00 Uhr
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,2722777
Die Mittel der Politik sind vielfältig. Diplomatie gehörtdazu, Verhandlungsgeschick, Durchsetzungskraft, Raffinesse, dieIntrige, der Schuh eher nicht. Wohl zog einst ein Bundespräsident, KarlCarstens, gerne auf Schusters Rappen durch die Lande, aber seinSchuhwerk fand dabei wenig Beachtung. Im Grunde genommen gab es bislangin der Politik nur drei berühmte Schuhe. Der eine gehörte NikitaChruschtschow, der 1960 Regierungschef der UdSSR war und als solchervor der UN-Vollversammlung mit eben diesem Schuh das Rednerpultmalträtierte. Den zweiten trug Joschka Fischer 1985, als er zumUmweltminister vereidigt wurde, es war ein Turnschuh, ein klarespolitisches Bekenntnis. Und der dritte kleidete Guido Westerwelle undhatte in der Sohle die Zahl 18 eingraviert, was seinerzeit, 2002, alsProzentzahl das Wahlziel von Westerwelles FDP war. Es wurde aber nichterreicht, vielleicht auch, weil Westerwelle naturgemäß auf Schritt undTritt auf dem Ziel herumtrampelte.
Nun aber ist der politische Schuh in Mode gekommen. Erst traf es(zumindest fast) Ende des vergangenen Jahres den scheidendenUS-Präsidenten George W. Bush, dann gegen Ende des vergangenen MonatsFrankreichs Nicolas Sarkozy. Und nun Chinas Ministerpräsidenten WenJiabao, als er in Cambridge eine Rede halten wollte. Warum es der Schuhist, der als Protestmittel geschleudert wird, liegt auf der Hand.
Es hätte natürlich auch die Kittelschürze sein können. An der sammeltsich vom vielen Abwischen allerlei Schmutz an, der dem Zielentgegengeworfen werden kann. Aber so eine Kittelschürze als Mittel derPolitik taugt nicht. Zum einen fliegt sie nicht gut, und zum anderen,wie sähe das denn aus: Westerwelle in Kittelschürze, womöglich beimVerzehr einer Currywurst mit Majo?
Der Schuh mit seinem Dreck dran hat den Vorteil, dass er durch jedeSicherheitskontrolle kommt. Der Schuhschütze muss allerdings ein Opferbringen. Er opfert seinen Schuh und steht nach der Tat sozusageneinbeinig da. Was bei den Schneefällen von Cambridge in diesen Tagenunangenehm sein kann. Man sollte beim Plan eines Schuhwurfes dieWitterung bedenken. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass WenJiabao nicht getroffen wurde. Und die Nationalität des Werfers wirdendgültig wohl erst geklärt, wenn er vor Gericht erscheinen muss.Schuhwerfen ist an sich noch keine Straftat, wird aber als Störunggeahndet. Das sollte man auch bedenken.Helmut Schümann
(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 04.02.2009) |
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